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Wie sicher sind Deutungen in der Paläanthropologie? – Australopithecus sediba und sein merkwürdiges Merkmalsmosaik


Artikel als PDF-Datei (37 Seiten, 2190 KB, Stand: 20.06.2016)

Zusammenfassung:

2008 entdeckten Forscher um Lee Berger und Peter Schmid zwei Teilskelette in Malapa, Südafrika. Diese weisen neben zahlreichen Australopithecus-Merkmalen auch einige menschenähnliche Merkmale auf, die bislang von keinem anderen Australopithecinen bekannt waren. Die Wissenschaftler etablierten deshalb die neue Art Australopithecus sediba. Seitdem konnten weitere Knochenüberreste dieses neuen Homininen* geborgen werden.

Die Australopithecinen werden im evolutionären Stammbaum als „Vormenschen“ oder „Affenmenschen“ gedeutet, d.h. als Wesen, die nicht mehr Großaffen und noch nicht Menschen waren. Nach den Entdeckern ist der bemerkenswerteste Umstand an Australopithecus sediba, dass die neue Art von allen Australopithecinen die größte Ähnlichkeit zum Menschen (Homo) aufweist. Die Homo-ähnlichen Merkmale, die nur bei diesen Australopithecinen vorkommen, finden sich im Bereich des Schädels, der Zähne und des Beckens. Australopithecus sediba ist aber noch aus anderen Gründen ein sehr interessantes Fossil.

Die Wissenschaftler um Lee Berger messen ihrem neuen Fund eine große Bedeutung bei der Frage nach der Entstehung unserer eigenen Gattung Homo bei. Ist Australopithecus sediba tatsächlich ein Meilenstein bei dem Versuch der evolutionären Deutung unserer Herkunft oder wirft die neue Art in diesem Denkrahmen nur mehr Fragen und Probleme auf? Konkret stellt sich die Frage, ob der Merkmalskomplex von Australopithecus sediba in einem evolutionären Stammbaum plausibel gedeutet werden kann oder ob nicht das Grundtypkonzept der Schöpfungslehre dafür besser geeignet ist.

In dieser Übersichtsarbeit werden das Körperstamm- und das Extremitätenskelett von Australopithecus sediba im Rahmen der Fortbewegung ausführlich dargestellt und diskutiert. Die Argumentation erfolgt nach gängiger Methodik in der Paläanthropologie, wobei bestimmte Knochenmerkmale als spezielle Fortbewegungsanpassungen gedeutet werden.

2014 überraschten Ella Been und Yoel Rak die Paläanthropologengemeinschaft mit der Behauptung, dass Australopithecus sediba gar nicht existiert habe; die Knochenüberreste dieses neuen Australopithecinen stammten in Wahrheit von zwei verschiedenen Gattungen – Homo und Australopithecus. Wichtige bisherige Schlussfolgerungen könnten sich damit als hinfällig erweisen.

Die Diskussionen um Australopithecus sediba und neue Forschungsergebnisse bei lebenden Primaten provozieren die Frage nach der Sicherheit von paläanthropologischen Deutungen. Sie betrifft insbesondere funktionelle Schlüsse anhand von Knochenmerkmalen. Des Weiteren stellt sich diese Frage auch angesichts der Tatsache, dass bei der Suche nach der Herkunft des Menschen die im Mittelpunkt stehenden frühen fossilen nichtmenschlichen Homininen („Vormenschen“) ausgestorbene Lebewesen mit einem Merkmalsmix sind, für die es heute keine Analogie gibt. Auf diese Probleme wird in dieser Arbeit eingegangen. Es werden auch „ketzerische“ Studien vorgestellt, nach denen zum Fortbewegungsrepertoire der Australopithecinen eine vierfüßige Fortbewegungsweise auf dem Erdboden gehörte. Abschließend wird die Stellung von Australopithecus sediba im Evolutions- und Schöpfungsmodell behandelt.