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Erwachsene Schöpfung im Kontext der Astronomie



Inhalt

Gedanken zum biblischen Schöpfungsbericht

Eine textgetreue Auslegung des biblischen Schöpfungsberichtes (Gen 1-2) legt nahe, dass „Himmel und Erde“, d.h. die ganze sichtbare Wirklichkeit, in sechs gewöhnlichen Tagen erschaffen wurden.1 Der Zeitpunkt der Schöpfungswoche ist anhand der Bibel zwar nicht eindeutig festlegbar, dürfte aber nicht weiter als einige Tausend Jahre in der Vergangenheit liegen.2 Damit ist man zwangsläufig mit einem Kurzzeitszenario für die Entstehung des Universums konfrontiert. Wie sah aber das Universum am Ende des Sechstagewerks aus? Nach der Bibel war das ganze Universum zu diesem Zeitpunkt bereits in vollendetem Zustand, d.h. das Schöpfungswerk war am Ende der Schöpfungswoche abgeschlossen. So heißt es in Gen 2,1-2 (vgl. Heb 4,3): „So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer. Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.“ Das Universum mit den Sternen („ihr ganzes Heer“) ist ausdrücklich eingeschlossen. Die Lebewesen wurden in fertiger Form geschaffen, der Garten in Eden war ein von Gott gepflanzter Garten, der von Anfang an blühte und gedieh, und auch die Sterne waren bereits sichtbar trotz ihrer weiten Entfernung. Es war eine „erwachsene Schöpfung“.

Wie aber hat Gott das Universum so schnell geschaffen? Diese Frage beantwortet uns die Bibel nicht im Detail. Über die Vorgänge innerhalb der Schöpfungswoche haben wir nur wenige Informationen wie etwa die Reihenfolge der Schöpfungswerke. In diesem Sinne sind für uns die Schöpfungstage eine Art „Black Box“. Allerdings wird angedeutet, dass Gott sich für die Erschaffung einzelner Geschöpfe offenbar eines gewissen „Rohmaterials“ bediente. Adam wurde aus „Erde vom Acker“ (Gen 2,7) und die Eva aus einer „Rippe“ Adams (Gen 2,22) gemacht. Leider geben diese Angaben nur bescheidene Hinweise, wie man sich das Schöpfungshandeln konkret vorstellen muss. Es ist aber gut denkbar, dass während der Schöpfungswoche Vorgänge abgelaufen sind, die Zeit beansprucht haben, obwohl Gott in seiner Allmacht das Universum auch in einem einzigen Augenblick hätte erschaffen können. Der Bibeltext bezeugt jedenfalls, daß Gott nicht alles „auf einen Streich“, sondern schrittweise erschaffen hat. Diese Vorgänge könnten aus rein übernatürlichen3 oder abwechslungsweise aus natürlichen und übernatürlichen Prozessen bestanden haben, so dass wir das Geschehen im Nachhinein kaum mehr nachvollziehen können.4 Wie weit man letztlich naturwissenschaftlich in die Schöpfungswoche eindringen kann, ist darum sehr schwer zu beurteilen.

Im Folgenden soll es darum gehen, einige Gedankenanstöße zu dieser Thematik zu geben und zu zeigen, welche naturwissenschaftlichen Fragen mit einer erwachsenen Schöpfung verbunden sind.

Was sollte im biblischen Kontext berücksichtigt werden?

  • Schöpfung beinhaltet die Erschaffung scheinbarer Alter; das geht klar aus den biblischen Schilderungen hervor. Adam und Eva, die sicherlich nicht als Babys erschaffen wurden, täuschten eine ontogenetische Entwicklung vor, die nie stattgefunden hatte. Aber auch der Garten in Eden oder die ganze Biosphäre – nach heutigem Wissen ein komplexes Ökosystem – wurden offenbar in voll funktionsfähigem Zustand erschaffen. Viele ökologische Prozesse mussten bei der Erschaffung bereits im Gange sein, damit das System (richtig) funktionieren konnte.
  • Wunder haben generell die Eigenschaft, zu „täuschen“ – nicht im Sinne einer Irreführung, sondern im Sinne eines falschen Anscheins aufgrund von mangelnder Information bzw. falscher Extrapolation in die Vergangenheit. Ein gutes Beispiel ist die Verwandlung von Wasser zu Wein bei der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11). Der Speisemeister wurde durch das Wunder Jesu tatsächlich getäuscht, weil er falsch informiert war (V. 9). Er konnte sich nicht erklären, warum der Bräutigam den besten Wein bis zum Ende aufbewahrt hatte. Ist Jesus deswegen ein Täuscher? Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, richtig informiert zu sein. Jede wissenschaftliche Analyse des geschaffenen Weines hätte vermutlich in die Irre geführt und ein falsches Alter nahegelegt. Der Gedanke einer erwachsenen Schöpfung fügt sich somit grundsätzlich gut in den Kontext dieses und anderer biblischer Wunder ein, bei denen Gott unmittelbar übernatürlich wirkte. Wenn es nun ein Merkmal von Wundern ist, dass sie täuschend wirken, sollte denn das nicht auch auf das grundlegendste aller Wunder zutreffen – die Schöpfung?
  • Um die Schöpfung richtig zu verstehen, muss ihr Sinn und Zweck berücksichtigt werden. Beispielsweise wurde die Schöpfung und damit auch das Universum auf den Menschen ausgerichtet (Gen 1,14.15.28.29). Also sollte sie auch aus der Perspektive des Menschen betrachtet werden. Weiter soll die Schöpfung die Ehre Gottes verkündigen (Ps 19,2-5). Dagegen kann man der Bibel keine Anhaltspunkte entnehmen, dass es Gottes Absicht war, das Universum um der Naturforscher willen physikalisch nachvollziehbar zu erschaffen. Hiob wurde genau in dieser Sache von Gott herausgefordert (Hiob 38,4: „Wo warst du, als ich die Erde gründete?“). Im Gegenteil wird in der Bibel auf naturwissenschaftliche bzw. wissenschaftstheoretische Prinzipien i.d.R. wenig Rücksicht genommen. Gottes Herrlichkeit sollte häufig gerade dadurch offenbar werden, dass für uns etwas nicht Nachvollziehbares geschah.

Schöpfung und „Täuschung“

Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass man mit dem Universum in vielerlei Hinsicht Gottes ursprüngliche Schöpfung untersucht. In der Biologie und auch in der Geologie ist das nicht in vergleichbarer Weise der Fall. Diejenigen Lebewesen, die Gott geschaffen und in den Garten Eden gesetzt hat, sind uns heute nicht mehr zugänglich, sondern nur deren nachfolgende Generationen. Ebenso ist auch die Erdoberfläche im Laufe der Zeit stark verändert worden. Bei den Sternen hingegen handelt es sich immer noch um die von Gott geschaffenen Objekte. Damit ist man in der Astronomie mit einer speziellen Situation konfrontiert, die auch einen besonderen Zugang erfordert. Es besteht dabei die Möglichkeit, dass man mit scheinbaren Altern konfrontiert wird und dadurch möglicherweise in die Irre geht. In welchem Ausmaß ist mit solcher „Täuschung“ zu rechnen?

Von wirklicher Täuschung im Sinne von Irreführung kann man sprechen, wenn die Merkmalsausprägung eines geschaffenen Objekts den unnötigen Anschein hat, als wäre eine Art Vorgeschichte abgelaufen, die aber nie wirklich stattgefunden hat. Ein Objekt kann aber durchaus ein geschaffenes Alter aufweisen, ohne dass der Aspekt der Täuschung ins Spiel kommt. Ein instruktives Beispiel ist der geschaffene Adam. Obwohl Adam als erwachsener Mensch geschaffen wurde, wird sein geschaffenes Alter i.d.R. nicht als Irreführung empfunden. Als irreführend würde man aber empfinden, wenn Adam zusätzlich mit einer Erinnerung an eine nicht abgelaufene Kindheit ausgestattet worden wäre. Das könnte zu Recht als unnötiger Hinweis auf eine Vorgeschichte und damit als echte Täuschung aufgefasst werden, die nicht in der Natur einer Schöpfung liegen würde. Die Schöpfung sollte also möglichst keine unnötigen Hinweise an eine fiktive Vorgeschichte erkennen lassen, da Gott uns mit der Schöpfung sicherlich auch nicht irreführen wollte5.

Im Kontext der Astronomie stellt sich nun die Frage, welche Merkmalsausprägungen in die problematische Kategorie eines Anscheins von Entwicklungen und damit von Altern eingeordnet werden müssen. Sie treten in ganz unterschiedlicher Gestalt auf (z.B. Sternenlicht [s.u.], radiometrische hohe Alter). Obwohl an konkreten Beispielen manchmal intuitiv klar ist, welche Merkmale problematisch sind und welche nicht, trifft das nicht immer zu. Es ist gar nicht einfach, das problematische Element allgemein zu fassen. Die Beurteilung, ob ein Merkmal echt täuschend ist oder nicht, hängt zudem immer auch vom aktuellen Wissensstand ab. Ändert sich unser Verständnis des untersuchten Objekts, werden damit möglicherweise auch täuschende Merkmale hinfällig.

Komplexe Systeme und Konstruktionserfordernisse

Der Aspekt der vermeintlichen Täuschung soll noch um einen Gedanken erweitert werden. Die Erschaffung eines komplexen Systems erfordert, dass von Beginn alle Teile in der richtigen Weise miteinander in Wechselwirkung stehen. Sonst ist das System nicht funktionsfähig. Gute Beispiele für solche Systeme sind die Lebewesen. Die Erschaffung von Lebewesen macht nur dann Sinn, wenn sie voll funktionsfähig, d.h. lebend erschaffen werden. Die Erfordernis der vollen Funktionsfähigkeit kann aber dazu führen, dass das System den Anschein hat, als wären gewisse Prozesse bereits seit längerer Zeit am Ablaufen, was man mit einer nicht stattgefundenen Vorgeschichte in Verbindung bringen könnte. Besonders bei sehr großen Objekten im Weltall treten solche Fälle auf.

Ein geschaffener Stern ist ein Beispiel für ein solches System. Damit ein Stern von Beginn funktioniert und leuchtet, muss er alle physikalischen Eigenschaften eines Sterns besitzen. Nach momentanem Verständnis der Sternphysik braucht aber ein Photon, das im Innern des Sterns durch Kernsynthese erzeugt wurde, sehr lange Zeit, bis es die Sternoberfläche erreicht und abgestrahlt wird. Die Zeitdauer liegt in der Größenordnung von Zehntausenden von Jahren6. Das Licht, das von einem geschaffenen Stern abgestrahlt wird, ist hingegen gar nicht im Innern durch Kernsynthese erzeugt worden, sondern mußte als Teil des Sterns erschaffen worden sein. Jeder moderne Astronom wird aber automatisch davon ausgehen, dass die entsprechenden Photonen, wie durch die Theorie vorgegeben, im Innern des Sterns durch Kernsynthese erzeugt worden sind und dass der Stern darum auch ein entsprechendes Mindestalter haben müsse. Dennoch werden diese geschaffenen Photonen im Rahmen der biblischen Schöpfung kaum als irreführend empfunden, da die Erschaffung des Sterns ein geschaffenes Sternenlicht logisch einschließt. Andernfalls könnte der Stern nicht leuchten. Es handelt sich sozusagen um eine Konstruktionserfordernis.

Noch eindrücklichere Beispiele sind möglicherweise Galaxien. Galaxien sind große Sternensysteme, die durch Gravitationswechselwirkung zusammengehalten werden. Hätte eine geschaffene Galaxie beim Zeitpunkt ihrer Erschaffung keine bereits wirksame Gravitationswechselwirkung, so wäre das, wie wenn in einem Lebewesen die einzelnen Zellen nicht zusammenhalten würden. Das physikalische System wäre nicht funktionsfähig. Nun ist es aber so, dass sich Gravitationswechselwirkung zwischen Materie nach der Einsteinschen Relativitätstheorie höchstens mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann. Die Konsequenz ist, dass bei derart großen astronomischen Systemen Hunderttausende von Jahren nötig sind, damit sich die Gravitation über die ganze Galaxie ausbreiten kann. Versteht man die biblische Schöpfung als eine Schöpfung ohne Mangel und Makel, dann ist zu erwarten, dass bei derart gigantischen Systemen auch die Wechselwirkung bereits mit geschaffen wurde. Auch das wäre eine logische Folge der Schöpfung. Der nur physikalisch denkende Mensch wird aber daraus einen Prozess herauslesen wollen, der nach heutigem Verständnis Hunderttausende von Jahren gedauert haben muss. Diese Argumentation kann in analoger Weise auf Galaxienhaufen oder auf das ganze Universum verallgemeinert werden.

Beispiel: Geschaffenes Sternenlicht

Nach heutigem Wissen erreicht uns Sternenlicht aus Distanzen von über 10 Milliarden Lichtjahren. Selbst unsere eigene Milchstraße ist viel zu groß, als dass das Licht aller ihrer Sterne seit der Schöpfung durch die natürliche Reisezeit innerhalb einiger tausend Jahre zu uns gelangen konnte. Da wir die Sterne doch sehen können, musste während der Schöpfungswoche irgendein Prozess stattgefunden haben, der anhand unseres momentanen physikalischen Verständnisses schwer nachvollziehbar ist. Könnte es darum nicht sein, dass Gott das Sternenlicht einfach zusammen mit dem Stern geschaffen hat? Diese Frage soll im Folgenden diskutiert werden. Besonders brisant ist die Situation, wenn im Sternenlicht noch spezifische Informationen über physikalische Prozesse enthalten sind. Wird beispielsweise eine Supernovaexplosion eines weit entfernten Sterns beobachtet, so würde das im Falle von geschaffenem Sternenlicht bedeuten, dass sich die Explosion nur im Sternenlicht ereignet, aber am Stern gar nicht wirklich geschehen ist. Würde es sich hier nicht wie im Falle Adams, der Erinnerungen an seine fiktive Kindheit hat, um echte Täuschung handeln? In diesem Zusammenhang wurde auch schon von einem „göttlichen Streich“ oder gar von „Betrug“ gesprochen. Dagegen sind folgende Einwände erhoben worden, die wiederum kritisch betrachtet werden sollen:

  • Um die Schöpfung richtig zu verstehen, muss man die Absicht des Schöpfers kennen. Die Gestirne haben die erklärte Aufgabe, „Lichter“ zu sein, dass „sie scheinen auf die Erde“ (Gen 1,15). Das Sternenlicht ist somit nicht einfach ein störender physikalischer Nebeneffekt, sondern eine bewusste Einrichtung des Schöpfers. Das Universum hat für uns Menschen nur dann einen Sinn, wenn wir es auch sehen können. Dass daraus möglicherweise schwierige Fragen resultieren, muss in Kauf genommen werden, wenn man die biblische Aussage gelten lassen will.
    Diese Argumentation ist an sich unproblematisch. Allerdings ist nicht die Existenz des Lichtes das eigentliche Problem, sondern die Informationen, die im Licht enthalten sind und die uns dazu führen, eine nicht stattgefundene Geschichte zu rekonstruieren. Warum sollte Gott die Trümmer eines explodierten Sterns (Supernova) zusammen mit seinem Sternenlicht erschaffen, damit wir sie auf der Erde sehen können, wenn der Stern gar nie wirklich explodiert ist? Wenn es nicht gelingt, eine Notwendigkeit oder Absicht hinter diesen Trümmern zu sehen, dann hätte man hier wohl unnötige Hinweise an eine nie stattgefundene Vorgeschichte des Sterns. Hier würde die Frage interessant, ob es überhaupt möglich ist, Sternenlicht ohne Hinweise auf eine fiktive Vorgeschichte zu erschaffen. Wird diese Frage verneint, dann könnte man möglicherweise wieder von Konstruktionserfordernissen sprechen, womit es sich nicht mehr um echte Täuschung handeln würde.
  • Wenn Gott bei der Erschaffung einer Galaxie bereits die Gravitationswechselwirkung mitlieferte, damit die einzelnen Sterne und Galaxien aneinander gebunden sind und ein physikalisch sinnvolles System bilden, ist es dann nicht nahe liegend, sich auch die elektromagnetische Wechselwirkung zwischen den einzelnen Sternen und Galaxien als geschaffen zu denken? Licht ist nichts anderes als eine Form der elektromagnetischen Wechselwirkung, wenn auch als Wellenausbreitung.
    Auch diese Überlegung trifft das eigentliche Problem nicht. Denn nicht die gravitative oder elektromagnetische Wechselwirkung ist das Problem, sondern die darin enthaltenen Informationen. Dieses Problem haben wir bei der Gravitation bislang nicht, aber beim Licht schon. Die Art der Wechselwirkung spielt im Grunde genommen gar keine Rolle.7
  • Die Vorstellung, dass Gott Sterne als komplexe Systeme erschaffen hat, stellt für viele kein Problem dar. Anders ist es dagegen bei der Erschaffung des Sternenlichtes im interstellaren Raum. Wie aber bereits angeführt, erzwingt ein Stern geschaffenes, nicht im Stern erzeugtes Licht. Könnte man sich nun nicht vorstellen, dass nach derselben Schöpfungslogik, nach der der Stern und das Licht im Inneren des Sterns erschaffen wurde, auch das Sternenlicht im interstellaren Raum erschaffen wurde? Dem Versuch, hier eine Trennung zu vollziehen, haftet etwas Künstliches an.
    Allerdings muss hier erwähnt werden, dass einem Photon, das von einem Stern abgestrahlt wird, physikalisch nicht angesehen werden kann, ob es durch Kernfusion entstanden ist oder nicht. Alle Informationen, die das Photon über den Stern trägt, stammt von der Sternoberfläche. Damit hat ein Photon, das im innern des Stern geschaffen wurde, keine unnötigen Informationen über seine fiktive Herkunft. Ein Photon, das im Interstellaren Raum erschaffen wurde, trägt aber u.U. Informationen über Vorgänge auf der Oberfläche des Sterns, die gar nicht stattgefunden haben.
  • Der täuschende Effekt in unserem Beispiel entsteht dadurch, dass das Sternenlicht quasi als nicht stattgefundene Vorgeschichte des geschaffenen Sterns aufgefasst wird. Hier fließt allerdings ein spezifisches, naturphilosophisch geprägtes Verständnis von „Wirklichkeit“ ein, das nur Ereignissen Wirklichkeitswert zuweist, die am Stern physikalisch geschehen sind. Wer sagt uns aber, dass der Schöpfer dies so verstanden haben möchte? Würde man das geschaffene Sternenlicht nicht als fiktive Vorgeschichte, sondern bereits als Geschichte des Sterns auffassen, würde das Problem sofort gegenstandslos. Man hätte einfach eine andere Perspektive. Angesichts der Tatsache, dass die biblische Darstellungsweise häufig phänomenologisch ist, d.h. als Wahrnehmung nach dem Augenschein, scheint dieser Gesichtspunkt möglicherweise gar nicht abwegig, insbesondere da das Universum auf die Erde ausgerichtet wurde. Ist darum letztlich nicht entscheidend, was man von der Erde aus sieht?
    Hier wird auf einer hermeneutisch philosophischen Ebene argumentiert. Als kritischer Einwand könnte man anführen, dass die christlichen Väter der modernen Naturwissenschaft der Bibel ein Verständnis von Wirklichkeit abgewannen, das sich vom oben dargestellten unterscheidet, indem sie glaubten, dass Gott eben keine Scheinwelt erschuf.

Das Beispiel des geschaffenen Sternenlichtes zeigt die Komplexität der Fragestellung und die Schwierigkeit, eindeutige Antworten zu finden. Dabei sind der argumentativen Subtilität beinahe keine Grenzen gesetzt. Es ist aber fraglich, ob man mit solchen Gedankenspielen, wie oben beispielhaft dargestellt, letztlich herausfinden kann, wie der Schöpfer das Universum geschaffen hat. Wie befriedigend oder wie wahrscheinlich man die Möglichkeit von geschaffenem Sternenlicht einschätzt, hängt letztlich auch davon ab, wieviel „Täuschung“ man gelten lassen möchte und wie man sie gewichtet. Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, muss nach einer anderen „Erklärung“ Ausschau gehalten werden, was keine einfache Aufgabe ist. Eine in allen Belangen befriedigende Lösung ist bis jetzt nicht vorhanden; die eben diskutierte Möglichkeit des geschaffenen Sternenlichtes eingeschlossen.

Perspektiven

Viele Fragen wurden durch die obige Diskussion nicht berührt. Durch die systematische Beobachtung des Universums wurden zahlreiche detaillierte Daten über Verteilung, Zusammensetzung, Dynamik etc. astronomischer Objekte bekannt, die zwar nicht im Widerspruch zu einer erwachsenen Schöpfung stehen, indem sie z.B. echte Täuschung einschließen, aber durch sie auch nicht erklärt werden. Als Beispiele seien der kosmische Mikrowellenhintergrund oder die Sternverteilung im Sinne des Hertzsprung-Russell-Diagramms genannt. Warum hat sich Gott so viel Mühe gemacht, das Universum mit detaillierten Merkmalen, charakteristischen Gesetzen und auch Anomalien zu füllen, so dass Naturforscher unweigerlich geneigt sind, physikalische Zusammenhänge zu suchen und zu erkennen? Auf diese Frage findet man in der Bibel keine Antwort. Wenn man nach „Erklärungen“ für bestimmte Zusammenhänge von Merkmalsverteilungen in der ursprünglichen Schöpfung fragt, so wird man sie wohl in einer der folgenden Kategorien suchen müssen:

  • Notwendigkeit: Damit ein bestimmtes Objekt existieren und funktionieren kann, muss es diese oder jene Eigenschaften haben.
  • Sinn und Zweck: Der Schöpfer beabsichtigt etwas Bestimmtes und hat darum das Objekt mit den dafür erforderlichen Merkmalen ausgestattet, obwohl diese für die Existenz oder Funktionstüchtigkeit des Objektes nicht notwendig wären.
  • Schönheit, Kreativität, Regelhaftigkeit: Die Merkmalsverteilung erfüllt einen ästhetischen Zweck oder soll das Universum mit Harmonie und Ordnung füllen.

Im Allgemeinen können diese Kategorien natürlich nicht strikt voneinander getrennt werden. Es ist ferner zu beachten, dass wir heute nicht mehr in jeder Hinsicht die ursprüngliche Schöpfung vorfinden. Das Verständnis spezifischer Merkmalsausprägungen kann darum grundsätzlich in drei Richtungen gesucht werden:

  1. Es handelt sich um Merkmale, die während der Schöpfungswoche entstanden sind. Die Entstehungsvorgänge können wir heute nicht (mehr) oder nur (noch) z.T. nachvollziehen.
  2. Es handelt sich um Merkmale, die im Zeitraum nach der Schöpfung durch physikalische Prozesse entstanden sind. Die entsprechenden Vorgänge müssten prinzipiell nachvollziehbar sein.
  3. Es handelt sich um Merkmale, die aufgrund von Statuswechseln eingeleitet wurden (z.B. infolge des Sündenfalls). Leider gibt der biblische Bericht praktisch keine Informationen, inwiefern das Universum als gesamtes durch den Sündenfall betroffen wurde.8 Auf jeden Fall kann das Schicksal der belebten und unbelebten Schöpfung nicht vom Heilsweg des Menschen getrennt werden.

Denkbar wäre auch eine Kombination aller drei Möglichkeiten. Auf jeden Fall ist die Situation im biblischen Rahmen um einiges komplizierter als in jenem der Standardkosmologie, wo faktisch nur die Möglichkeit 2 in Betracht gezogen wird. In dieser Hinsicht kann man nicht zu hohe Ansprüche an eine realistische Rekonstruktion vergangener astronomischer Ereignisse im biblischen Kontext stellen.

Anmerkung

1 Siehe dazu Hilbrands, W. (2004) Zehn Thesen zum biblischen Schöpfungsbericht (Gen 1,1-2,3) aus exegetischer Sicht. Jahrbuch für evangelikale Theologie 18, 7-25. (»Zehn Thesen zum Schöpfungsbericht« als PDF zum Download)

2 Zur Begründung siehe Junker, R. (1994) Lehrt die Bibel eine junge Schöpfung? W+W-Diskussionsbeitrag 1/94.

3 Die Begriffe „natürlich“ bzw. „übernatürlich“ exakt zu definieren, ist aus erkenntnistheoretischen Gründen nicht einfach. Hier wird mit „natürlich“ ein Ablaufen entsprechend unseren aktuellen Modellen der fundamentalen Naturgesetze verstanden.

4 Vorschläge für mögliche Szenarien innerhalb der Schöpfungswoche wurden immer wieder versucht und umfassen Prozesse wie beispielsweise ein Geschehen im Zeitraffer oder eine Entstehung des Universums aus einem Weißen Loch.

5 Lässt man dieses Kriterium gelten, so müsste die häufige Behauptung, Gott hätte Bäume mit Baumringen geschaffen, zurückgewiesen werden. Die Baumringe sind für die Funktionsweise eines Baumes nicht wichtig. Zudem haben Bäume in tropischen Zonen aufgrund der ausfallenden Jahreszeitenunterschiede keine Baumringe. Darum müssten Baumringe bei geschaffenen Bäumen als Vortäuschung fiktiver Jahreszeiten vor der Schöpfung aufgefasst werden.

6 Siehe etwa Phillips, A.C. (1999) The Physics of Stars. Second Edition. Wiley. Für unsere Sonne wird beispielsweise die Größenordnung von 50 000 Jahren angegeben.

7 Im biblischen Kontext ist im Prinzip denkbar, dass vom Beginn der Schöpfung alle Teile des Universums kausal miteinander verbunden sind und sich demnach sowohl gravitativ als auch elektromagnetisch „spüren“. Dies ist in der Standardkosmologie wahrscheinlich nicht der Fall. Demnach gibt es zum heutigen Zeitpunkt Teile des Universums, zu denen wir keinerlei kausalen Kontakt haben und aus denen wir damit auch keine Informationen erhalten können. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sog. „Teilchenhorizont“.

8 Für den Bereich der Biologie siehe Junker, R. (2001) Sündenfall und Biologie. Holzgerlingen.