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Schrieb Mose den Pentateuch? (Teil 1)



1. Teil: Das Zeugnis der Bibel
(s.a. 2. Teil, 3. Teil)

Inhalt


Die Frage, wer den Pentateuch (5 Bücher Mose) verfaßt hat, ist weit mehr als eine akademische Streitfrage. Vielmehr hängt daran zu einem guten Teil die historische Glaubwürdigkeit der in diesem biblischen Geschichtswerk geschilderten Geschehnisse, zu denen auch die ersten Schritte der Menschheit gehören (biblische Urgeschichte, 1 Mose 1-11). Darüber hinaus hat Jesus Christus selber die Verfasserschaft des Mose bestätigt (z. B. Joh 5,46). Sollte sich Jesus geirrt haben oder den Irrtum seiner Zeitgenossen nicht korrigiert haben (s. u.)? Trotz dieses Zeugnisses wird in der Theologie die Auffassung, Mose selber habe den Pentateuch verfaßt, in der Regel nicht einmal mehr diskutiert.

Allerdings ist die aktuelle Forschungslage1 zur Entstehung des Pentateuch insofern chaotisch, da die seit den 70er Jahren vorgetragene Kritik des Wellhausenmodells (Scheidung des Pentateuch in die Quellen J = 850 v.Chr., E = 750 v.Chr., D = 621 v.Chr. und P = 444 v.Chr.) in ein beinahe unüberschaubares Spektrum derzeitiger Hypothesenbildung bis hin zum radikalen Thesenverzicht mündete. Kritiker des Wellhausenmodells werfen diesem vor allem dreierlei vor (Zenger, 69-71):

  • weitgehendes Versagen der Quellenscheidungstheorie ab Ex 19 bei gleichzeitig minimalem Konsens der Wellhausenanhänger im Detail
  • Methodische Schwächen des Modells (mechanistisches Verfahren; abzulehnende Kriterien und mangelhaftes Überlieferungsverständnis, methodische Kopflastigkeit)
  • Fragwürdigkeit der vorausgesetzten Religions- und Sozialgeschichte

Hinzu kommt, daß Wellhausen seine Theorien ohne die Ergebnisse der Archäologie und Altertumswissenschaft quasi am grünen Tisch aufstellte.

Ohne im einzelnen auf gegenwärtige Trends zur Hypothesenbildung einzugehen2, kann festgestellt werden, daß sich die Pentateuchforschung in einer geradezu heillosen Verwirrung befindet. Aufgrund dieser Situation und infolge der inzwischen weithin erkannten Ungenügsamkeit des Wellhausenmodells sei es gestattet, die Argumente zugunsten der mosaischen Verfasserschaft des Pentateuch erneut ernsthaft und unvoreingenommen zu prüfen. Dabei wird mancher, der aufgrund des Monopols der historisch-kritischen Methode an unseren Universitäten nur einseitig informiert wurde, überrascht sein, daß die These von der mosaischen Hauptverfasserschaft des Pentateuch in puncto Plausibilität durchaus konkurrenzfähig, nach Überzeugung des Autors sogar überlegen ist. Die Verfasserfrage des Pentateuch ist von äußerster Wichtigkeit, weil sie nicht nur das Verständnis des Inhalts und der Theologie des Pentateuch maßgeblich bestimmt, sondern mit ihr die Rekonstruktion der israelitischen Religionsgeschichte steht und fällt.

Nachfolgend wird die These der mosaischen Hauptverfasserschaft3 des Pentateuch kurz erläutert und mit den Eigenschaften des Pentateuch, dem Zeugnis der Bibel und der Tradition begründet. In einem Fortsetzungsartikel werden die Einwände gegen die mosaische Verfasserschaft entkräftet und die Schwächen der kritischen Position aufgezeigt.

Mose als Hauptverfasser des Pentateuch

Durch die Kennzeichnung Moses als den Verfasser des Pentateuch wird die grundlegende literarische Einheit des Pentateuch postuliert und die Vorstellung von einer mehrere Jahrhunderte in Anspruch nehmenden literarischen Evolution des Pentateuch unter Mitwirkung verschiedener Autoren, Redaktoren, theologischer Schulen usw. entschieden verneint. Einschränkend ist jedoch zuzugeben, daß (1) Josua oder ein Unbekannter den Bericht vom Tod Moses (Dtn 34,5-12) unter der Leitung des Heiligen Geistes als Epilog anfügte, (2) im Laufe der schriftlichen Überlieferung des Pentateuch kleinere Ergänzungen bzw. Aktualisierungen veralteter Ortsbezeichnungen oder Namen vorgenommen wurden und (3) Mose namentlich in der Genesis möglicherweise auf literarische Quellen zurückgriff.4

Die zur Abfassung des Pentateuch nötige Information erhielt Mose auf dreierlei Arten: (1) Seine Ausbildung am ägyptischen Hof eröffneten ihm Zugang zum gesammelten Geschichtswissen seiner Zeit, sei es in Form schriftlicher Quellen (vgl. z.B. Genealogien, Königslisten, Gen 36,31ff) oder mündlicher Traditionen (Geschichte Israels), und versetzte ihn methodisch und schriftstellerisch in die Lage, ein solches Geschichtswerk zu schaffen. (2) Als Augenzeuge des Auszugs und der Wüstenwanderung kannte er den weitaus größten Teil des Inhalts des Pentateuch aus eigener Anschauung (Ex 2,11 – Dtn 34,4). (3) Seine einzigartige geistliche Führungsposition in Israel machte ihn zum einzigartigen Empfänger göttlicher Direktoffenbarungen (Ex 33,9-11), was besonders in Ex 20 – Lev 27 seinen Niederschlag findet. Die Vernachlässigung dieser entscheidenden Informationsquellen Moses seitens der historisch-kritischen Theologie mußte daher zwangsläufig zu fatalen Ergebnissen hinsichtlich der “Quellen” des Pentateuch führen.

Das Zeugnis der Eigenschaften des Pentateuch5

1. Der Autor kam aus Ägypten.6Der ägyptische Hintergrund des Verfassers des Pentateuch zeigt sich: a) in den zahlreichen exakten und stets zutreffenden Beschreibungen des Landes Ägypten, seiner Geographie, Institutionen, Sitten, Geschichte, Tier- und Pflanzenwelt7, die nach Albright “als spätere Erfindung unerklärlich wären”8, b) in der Verwendung ägyptischer Eigennamen9 und Worte, die in der Regel ägyptische Gegenstände bezeichnen und erst später Bestandteil des hebräischen Sprachschatzes wurden10, und c) in der Erzählperspektive, wonach der Autor sich außerhalb Kanaans befindet.11 Der unleugbare ägyptische Hintergrund des Pentateuch gepaart mit seiner Genauigkeit besonders in nachweislich sehr alten Angaben, findet seine plausibelste Erklärung in der Autorschaft Moses, der “gelehrt war in aller Weisheit der Ägypter” (Apg 7,22).

2. Der Autor war an das Leben in der Wüste gewöhnt. Die genauen Lagerbeschreibungen in Numeri (4. Buch Mose), die detaillierte Beschreibung der Stiftshütte als transportables Zelt, die geübte Beobachtungsgabe hinsichtlich der Tier- und Pflanzenwelt12, sowie die lebensnahen Schilderungen menschlicher Lebensgewohnheiten in der Wüste können unmöglich aus der Feder eines Schriftstellers stammen, der die Wüste nicht selbst erlebt hatte. Typisch sind die zahlreichen, aus der Naturbeobachtung gewonnenen Wendungen in Prosatexten13. Auch hinsichtlich dieser Eigenschaft des Pentateuch bietet sich Mose als Verfasser an, da er nicht weniger als 80 Jahre seines Lebens in der Wüste verbrachte.

3. Der Autor war Augenzeuge des Auszugs aus Ägypten und der 40-jährigen Wüstenwanderung des Volkes Israel. Obwohl der Inhalt des Pentateuch einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren umfaßt, beschränkt sich Ex 3 bis Dtn 34 auf die Schilderung einer Zeitspanne von rund 40 Jahren, die wiederum sehr ungleichmäßig verteilt sind. Der umfangreiche Abschnitt Ex 12,37 bis Num 10,10 reflektiert die ersten 14 Monate nach dem Auszug, innerhalb dessen die 27 Kapitel des Buches Leviticus ganze 50 Tage umfassen. Bedenkt man ferner, daß das Buch Deuteronomium den Anspruch erhebt, die Reden des Mose in dessen letzten beiden Lebensmonaten zu enthalten, bedeutet dies, daß mehr als die Hälfte des Pentateuch Ereignisse aus nur 16 Lebensmonaten des Mose berichtet. Allein diese inhaltliche Zusammensetzung des Pentateuch spricht stark gegen einen jahrhundertelangen Entstehungsprozeß und für Mose als Autor, der Israels Auszug aus Ägypten und die vierzigjährige Wüstenwanderung des Volkes Israels an vorderster Front miterlebte. Dem entspricht, daß Ex 2,11 bis Dtn 34 alle Merkmale eines typischen Augenzeugenberichts aufweist, wie Interesse an genauer chronologischer Folge der miterlebten Ereignisse14, lebendige Schilderung der Ereignisse15 und Weitergabe einer unübersehbaren Fülle von Details.16 Hinzu kommt, daß Ex 2,11 bis Dtn 34 vollständig aus der Perspektive Moses berichtet. Er ist nicht nur Hauptfigur fast aller historisch-erzählender Teile ab Ex 2, sondern auch der alleinige Vermittler überaus umfangreicher Direktoffenbarungen Gottes.

Diese Überlegungen dürften hinreichend den Schluß begründen, daß der Verfasser Ex 2,11 bis Dtn 34 als Augenzeuge beiwohnte. Ist diese Konsequenz aus der Eigenart des Pentateuch aber einmal akzeptiert, dann gibt es keinen stichhaltigen Grund, an der Verfasserschaft Moses zu zweifeln, da außer ihm nur noch Josua und Kaleb Augenzeugen dieser gesamten Zeitspanne waren.

4. Der Autor war ein ausgebildeter Schreiber jener Zeit. Die hervorragende schriftstellerische Fähigkeit des Verfassers zeugt von einer speziellen Ausbildung und ist neben der Offenbarungsqualität des Inhalts Grund für die einzigartige Wirkungsgeschichte des Pentateuch. Der Autor war mit den literarischen Fertigkeiten der damaligen Zeit bestens vertraut und benutzte verschiedene Gattungen, Stile, Bilder, Wortspiele usw., wovon die formgeschichtliche Erforschung des Pentateuch auf ihre Weise Zeugnis ablegt. Interessanterweise unterscheidet sich der Stil des Pentateuch wesentlich von allen anderen Büchern des AT. Sein antiquierter Charakter zeigt sich sowohl in der Semantik und Phraseologie, als auch in grammatikalischen und formalen Eigenarten17, was wiederum gegen eine späte Abfassung durch die Hand mehrerer Autoren spricht. Mose dagegen besaß sowohl die schriftstellerischen Voraussetzungen für die Konzeption des Pentateuch als auch die geistliche Kompetenz für dessen Wirkungsgeschichte.

Berücksichtigt man die Eigenschaften des Pentateuch hinreichend und unvoreingenommen, dann kann man sich dem Urteil nicht verschließen, daß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Mose allein die biographischen, literarischen, geistigen und geistlichen Voraussetzungen für seine Autorschaft vereinigt.

Das Zeugnis der Bibel

Die Beweisstellen des Pentateuch umfassen direkte Schreibbefehle Gottes an Mose (z.B. Ex 17,14; 34,27) und Zeugnisse vom Schreiben Moses (Ex 24,4; Num 33,2; Dtn 31,9+22+24). Darüber hinaus wird der Inhalt des Deuteronomiums ausdrücklich auf Mose zurückgeführt (Dtn 1,1-5; 4,44f). Dieser Befund ist aber nicht mit Sellin (Einleitung, 16) dahingehend zu deuten, daß nur bestimmte, besonders gekennzeichnete Abschnitte wie z.B. Ex 17 (Fluch über die Amalekiter), Ex 20-23 (Bundesbuch) und Dtn 32 (Lied Moses) von Mose verfaßt wären. Dagegen spricht, daß der Pentateuch nur Mose als Schreiber bezeugt und von keinem Verfasser des AT so oft dokumentiert ist, daß er schrieb. Außerdem legen bestimmte Wendungen (vgl. Ex 24,4 “alle Worte Jahwes”; Dtn 31,24 “die Worte ganz ausgeschrieben” u.a.) den Schluß nahe, daß Mose auch für die Niederschrift anderer Teile des Pentateuch zuständig ist, zumal mehrfach gesagt wird, daß er in ein Buch schrieb (Ex 17,14; Dtn 28,58; 31,24). Von einer späteren Ergänzung des Gesetzbuches Moses bzw. von dessen Übernahme in das Werk eines anderen schweigt die Schrift gänzlich.

Besonders der prophetische Charakter des Pentateuch spricht für Mose als Autor. Die Prophetenformel “Und der Herr sprach zu Mose” (über 150 mal in Ex-Num) leitet meist umfangreiche Jahweworte mit Mose als alleinigen Hörer ein. Folglich ist es äußerst unwahrscheinlich zu meinen, daß ausgerechnet der größte Prophet des AT (Num 12,6-8; Dtn 34,10) diese nur ihm übermittelten Offenbarungen nicht selbst aufgeschrieben haben soll. Am deutlichsten wird dies wohl am Buch Leviticus sichtbar, wo fast alle Kapitel (vgl. Kap 1, 4, 6, 8, 11-25, 27) mit dem Satz beginnen: “Und der Herr sprach zu Mose”, und manche Kapitel ganze Sammlungen solcher Jahweworte enthalten (vgl. Lev 6,1+8+19+24; 22,1+17+26; 23,1+9+23+26+33).

Wie soll diese Fülle komplizierter, gesetzlich-kasuistischer Anweisungen, die innerhalb eines Zeitraumes von nur 50 Tagen geoffenbart wurden, ohne sofortige Niederschrift durch Mose bewahrt und den Priestern, Leviten und dem ganzen Volk Israel gelehrt worden sein? Bedenkt man, daß Lev in der Hauptsache eine Sammlung von Gottesworten darstellt, dann fällt es schwer zu glauben, daß der Prophet Mose dieses Buch nicht geschrieben haben soll. Vielmehr müssen sich die Kritiker die Frage gefallen lassen, wie ein anderer als Mose in der Lage gewesen sein sollte, diese Offenbarungen niederzuschreiben. Dies gilt nun nicht nur für das Buch Leviticus allein, sondern für alle Gespräche zwischen Gott und Mose, z.B. Moses Gebetskämpfe, Opfergesetze, Bundesbestimmungen, Festtagskalender, Anweisungen zum Bau der Stiftshütte usw., die nur Mose wahrheitsgetreu wiedergeben konnte. Die Annahme einer späten und allmählichen Entwicklung des Pentateuch wird dem Offenbarungscharakter, den ein erheblicher Teil des Pentateuch zweifellos beansprucht, keinesfalls gerecht, sondern degradiert diese Stücke, ob gewollt oder nicht, zur frommen Dichtung. Die göttlichen Gesetze wären dann keine göttlichen Gesetze mehr, sondern nur mit einer Botenformel fromm getarnte menschlich-religiöse Einrichtungen, wie wir sie aus der Religionsgeschichte zur Genüge kennen.18

Auch das übrige AT zeigt ein starkes und einheitliches Bewußtsein der mosaischen Verfasserschaft des Pentateuch, das so zusammengefaßt werden kann:

(1) Das Buch des Gesetzes Mose lag bereits unmittelbar nach dem Tod Moses vor (Jos 1,7f, 8,31, 22,5, 23,6) und bildete die Handlungsgrundlage der Israeliten unter Josua und darüber hinaus in der gesamten alttestamentlichen Periode (vgl. Mal 4,4).


Beweisstelle Inhalt Pentateuchstelle

Jos 1,13 Anteil der 21/2 Stämme Num 32,20-22
Jos 4,12; 22,2 bei der Landnahme Dtn 3,18-20 u.a.
Jos 8,31 Altargesetz Ex 20,25
Jos 8,30-35 Fluch und Segen auf Ebal und Garizim    Dtn 11,29-32
Jos 11,12ff+20 Banngesetz Dtn 20,16-18
Jos 11,23 Landnahme Ex 33,2 u.a.
Jos 14,6+9 Verheißung an Kaleb Num 14,24+30
Jos 17,4 Erbgesetz (Sonderfall) Num 27,2-11
Jos 20,2 Gesetz der Freistädte Ex 21,13; Num 35,6+9-28;
Dtn 19,1-13
Jos 21,2f+8 48 Levitenstädte Num 35,2-8
Jos 21,45; 23,14; 1Kön 8,56    Segensverheißungen an Israel Num 33,53
Jos 23,15 Unheilsverheißung an Israel Lev 26,14-39; Dtn 28,15-68
1Kön 8,53 Absonderung Israels Ex 19,5-6
2Kön 14,6; 2Chr 25,4 Totschlägergesetz Dtn 24,16
Esr 3,2; 1Chr 16,40 tägliches Brandopfer Ex 29,38-42
2Chr 23,18 Ordnung der Brandopfer Num 28; Lev 1; 6,1-6
2Chr 31,3; 35,12 Opfergesetze Lev 1-7
2Chr 30,15f Passahordnung Ex 12; Lev 23,5
Esr 6,18 Priester- und Levitendienst Lev 8-10
Neh 13,1 Fluch über Moabiter und Ammoniter Dtn 23,4-5
Neh 8,1+14 Wohnen in Laubhütten Lev 23,42f

(2) Alle Propheten des AT beziehen sich auf das Gesetz Moses, egal ob es sich um ethisch-legislative, historische oder prophetische Stücke des Pentateuch handelt.

(3) Das unter Josia ca. 612 v.Chr. bei der Tempelrenovierung aufgefundene Gesetzbuch wird eindeutig Mose zugeschrieben (2Chr 34,14) und ist demnach nicht erst in jener Zeit entstanden.

(4) Das AT sieht das Gesetz Mose als Einheit, wobei von späteren Ergänzungen, Redaktionen etc. nichts berichtet wird (s. die Warnung in Dtn 4,2). Auch wird nirgends im AT für irgendeinen Teil des Pentateuch ein von Mose zu unterscheidender Verfasser erwähnt oder nahegelegt, sondern immer und ausschließlich von Mose als dessen Urheber ausgegangen.

Im NT finden sich drei Arten von Belegstellen zugunsten der mosaischen Verfasserschaft des Pentateuch: Eine erste Gruppe bezeugt, daß Mose schrieb. Allgemein bekannt war, daß Mose vom Messias geschrieben hat (Joh 1,45), was Jesus ausdrücklich bestätigt (Joh 5,46).19 Ferner bezeugen Mk 12,19 und Luk 20,28 die von Jesus nicht korrigierte Meinung der Sadduzäer, daß Mose Dtn 25,5+6 (vgl. auch Gen 38,8) geschrieben hat.20 Mit oben genannten Stellen werden nun ausdrücklich solche Verse Mose zugeschrieben, die im Pentateuch nicht explizit als Schreiben Moses gekennzeichnet waren.

Aus einer zweiten Gruppe neutestamentlicher Belegstellen können wiederum Rückschlüsse auf den Inhalt des “Gesetzes Mose” gezogen werden:


Belegstelle Inhalt Pentateuchstelle

Mk 12,26 par Gottesbezeichnung Ex 3,2+6
Mk 1,44 par Reinigungsopfergebot Lev 14,1-20
Mk 7,10 Ehren der Eltern Ex 20,12; Dtn 5,16
Mk 10,3ff par    Ehegesetz Dtn 24,1; Gen 1,27+2,25
Joh 1,17; 7,19 das Gesetz allgemein
Joh 7,22f Beschneidungsgebot Lev 12,3
Joh 8,5 Strafe für Ehebrecher    Lev 20,10; Dtn 22,22
Röm 10,5 Gesetzesgerechtigkeit Lev 18,5
Röm 10,19 Reizung Israels Dtn 32,21
1Kor 9,9 Lohnprinzip Dtn 25,4

Wiederum werden ethisch-legislative, historische und prophetische Teile des Pentateuch als “Gesetz Moses” bezeichnet. Die letztgenannte Stelle führt erstmals eine Genesisstelle auf Mose zurück, da Jesu Frage in Mk 10,3: “Was hat euch Mose geboten?” ja gerade nicht auf Dtn 24,1 (Scheidungsgesetz) zielt, sondern auf Gen 1,27+2,25 (Schöpfungsordnung; vgl. Mk 10,6-9).

Schließlich führt eine dritte Gruppe (Lk 16,29+31; 24,27+44; Apg 15,21; 28,23; 2Kor 3,15) den gesamten Pentateuch pauschal auf Mose zurück. Bemerkenswert ist die Aussage Jesu in Joh 5,46f: “Denn wenn ihr Mose glaubtet, so würdet ihr auch mir (= Jesus) glauben, denn er (= Moses) hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften (!) nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?” Alle diese Stellen gehen geradezu selbstverständlich davon aus, daß Mose der Verfasser des gesamten Pentateuch ist. Diese Aussage findet sich nicht nur im Mund führender jüdischer Theologen, sondern auch bei den Aposteln und vor allem bei Jesus selbst. Dieser Tatbestand wird meist mit dem Einwand zu entschärfen versucht, daß Jesus lediglich die Meinung des Judentums übernommen habe und sie entweder nicht als fehlerhaft erkannte oder nicht widerlegen wollte. Diese Auffassung widerspricht aber dem Christuszeugnis des NT. Die Annahme, daß Jesus die wahren Entstehungsverhältnisse des Pentateuch nicht gekannt hätte, ist mit seiner theologischen Kompetenz (Joh 1,18; 7,16f) unvereinbar. Auch war es nicht Jesu Art und Haltung gewesen, theologische Fehler zu akzeptieren. Im Gegenteil scheute Jesus keine Auseinandersetzung, wenn es um die Wahrheit ging (Mt 15,3; 22,29). Naheliegender ist, daß Jesus die jüdische Meinung deshalb akzeptierte, weil er wußte, daß Mose den Pentateuch geschrieben hat. Es überrascht daher nicht, daß die Theologen, die die mosaische Verfasserschaft des Pentateuch ablehnen, gemäß Joh 5,46f auch Jesus nicht glauben, indem sie z. B. verschiedene Jesusworte im NT für unecht erklären und als spätere Gemeindebildung verstehen wollen. Für Nachfolger Jesu hingegen sollte das Zeugnis Jesu entscheidend sein, die mosaische Verfasserschaft des gesamten Pentateuch zu akzeptieren.

Das Zeugnis der Tradition

Das biblische Zeugnis von der Verfasserschaft Moses wird nun durch das Zeugnis der Tradition eindrucksvoll bestätigt. Tatsache ist, daß die Juden vor, während und nach der Zeit Jesu21 die mosaische Verfasserschaft des Pentateuch allgemein, ununterbrochen22 und unabhängig vom eigenen theologischen Standort23 akzeptierten. Es ist sicher kein Kennzeichen von Wissenschaftlichkeit, sondern negative Frucht aufklärerischen Denkens, wenn man diese starke Tradition einfach vom Tisch fegt. Die Vertreter der historisch-kritischen Meinung haben nicht nur die schwierige Aufgabe, Entstehung und lückenlose Weitergabe dieser angeblich falschen Tradition überzeugend zu erklären, sondern auch die moralische Pflicht darzulegen, wie die von ihnen postulierte allmähliche Entstehung des Pentateuch in der Geschichte keinerlei Spuren hinterlassen konnte. Wie könnte ein angenommener schriftlicher Entstehungsprozeß des Pentateuch vom 10. Jhdt. v. Chr. (J) bis zur Endredaktion des Pentateuch um 400 v. Chr. vergessen werden oder vergessen gemacht werden?

Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß die These von der mosaischen Verfasserschaft des Pentateuch in puncto Plausibilität durchaus mit kritischen Sichtweisen konkurrieren kann: Erstens deuten verschiedene markante Eigenschaften des Pentateuch auf Mose als Verfasser. Zweitens ist es das übereinstimmende Zeugnis der ganzen Heiligen Schrift und besonders die Meinung Jesu und der Apostel, daß Mose den Pentateuch verfaßte. Drittens wird diese These durch eine lückenlose Tradition eindrucksvoll bestätigt.

Auf die Argumente, die für die heute übliche Quellenscheidung vor- gebracht werden, und deren Entkräftung soll später in einem gesonderten Beitrag eingegangen werden.

Anmerkungen

Bernhard Knieß, Jahrgang 1960, studierte an der Freien Theologischen Akademie in Seeheim und Gießen. 1985 wurde er als Lehrer für Altes und Neues Testament an die Bibelschule Bergstraße nach Seeheim berufen (seit 1990 in Königsfeld/Schwarzwald) und ist dort seit 1987 Studienleiter.

  1. Vgl. Erich Zenger u.a., Einleitung in das Alte Testament. Studienbücher Theologie (Stuttgart/Berlin/Köln: Kohlhammer, 1995), S. 69-73. Vgl. N.E. Wagner, “Pentateuchal Criticism: No Clear Future”, Canadian Theological Journal 13 (1967), 225-232.
  2. Derzeitige Trends der Hypothesenbildung sind (Zenger, 71-73):

    • Verzicht auf die diachrone Fragestellung zugunsten einer synchronen Interpretation des vorliegendes Endtextes des Pentateuch (B.S. Childs; viele amerikanische und angelsächsische Forscher)
    • Vermehrung der Wachstumsstufen des Pentateuch durch Annahme zusätzlicher Quellen, Vorlagen und Redaktionsschichten (L. Ruppert, P. Weimar)
    • Abschied vom Quellenmodell und Rückgriff auf das Grundschriftmodell (N. Rose, J. van Seters, N. Whybray)
    • Abschied vom Quellenmodell und Rückgriff auf das Erzählkranzmodell (R. Rendtorff, E. Blum, R. Albertz)
    • Kombination von Erzählkranzmodell und reduziertem Quellenmodell JG, P, Dtn (W.H. Schmidt, E. Zenger).


  3. Bekannte Vertreter dieser These im 20. Jhdt. sind: Der Jude Benno Jakob, Der Pentateuch (1905); Wilhelm Möller, Die Einheit und Echtheit der 5 Bücher Moses (Bad Salzuflen: 1931); Oswald T. Allis, The Five Books of Moses, 2. Aufl. [1943] (Philadelphia: 1949); Edward J. Young, Introduction to the Old Testament (Grand Rapids/Michigan: 1954), S. 105-153, G.L. Archer, Einleitung in das Alte Testament, Bd. 1, Übers. aus dem Amerik. [1964/74] (Bad Liebenzell: VLM, 1987), S. 97-227; Samuel R. Külling, Fundamentum 3 (1981), 30-47 (bes. Literaturverzeichnis S. 44-47); Cleon Rogers, “Die Entstehung des Pentateuch”, Fundierte Theologische Abhandlungen, Bd. 3 (Wuppertal: Verlag der Schriftenmission, 1985), S. 7-63.
  4. R.K. Harrison, Introduction to the Old Testament (Grand Rapids/Michigan: 1973), S. 543-553 und vor allem P.J. Wiseman, Die Entstehung der Genesis. Das erste Buch der Bibel im Licht der archäologischen Forschung, Übers. aus dem Engl., 4. Aufl. (Wuppertal: Brockhaus Verlag, 1987).
  5. Vgl. die sehr guten Ausführungen bei Archer, a.a.O., S. 137-149.
  6. Bahnbrechend hier F.W. Hengstenberg, Die Bücher Moses und Ägypten (Berlin: 1841) sowie A.S. Yahuda, Die Sprache des Pentateuch in ihrer Beziehung zum Ägyptischen (Berlin-Leipzig: 1929).
  7. Die genaue Kenntnis der ägyptischen Kultur und Institutionen seitens des Verfassers belegte bereits Hengstenberg aus allen Teilen des Pentateuch (z.B. Gen 40,16; 41,14; 44,5; 50,2f+26; Ex 2,3; Num 11,5; Dtn 7,15; 11,10f; 28,27+60). Besonders der Bericht über die Plagen ist eng mit Kultur, Religion, Land und Geschichte Ägyptens verbunden. Vgl. J.J. Davis, Moses and the Gods of Egypt. Studies in Exodus (Grand Rapids: Baker Bakhaus, 1975). Die in Ex 25,5; 36,19; Lev 11,5; Dtn 14,5 u.a. beschriebenen ägyptischen Pflanzen und Tiere existierten in Palästina zumeist nicht.
  8. W.F. Albright, From Stone Age to Christianity, S. 242.
  9. Vgl. William Ward, “Egyptian Titles in Genesis 39-50”, Bibliotheca Sacra 114(1/1957), 40-59. Am bekanntesten sind die ägyptischen Namen Josefs in Gen 41,43+45 sowie der Name “Mose”. Zwar ist Kitchen der Ansicht, daß der Name “Mose” aus dem Hebräischen stamme und von den Ägyptern lediglich übernommen wurde, doch stimmen die meisten Forscher heute darin überein, daß dieser Name von der ägyptischen Wurzel “ms” (= Kind) bzw. “mss” (= geboren werden) herrührt und “Wassersohn” bedeutet. Vgl. Kenneth A. Kitchen, “Moses”, New Bible Dictionary, S. 843 und Victor P. Hamilton, “Moses”, TWOT I, 529f.
  10. Zu nennen sind hier “Fluß” in Gen 41,1ff; Ex 1,22; 2,3; 7,15ff, das fast ausschließlich den Nil bezeichnet; “Gras”, “Ried” als Viehweide in sumpfigen Gegenden in Gen 41,2+18; “Pharao” als Titel und Name ägyptischer Könige in Gen 41,41+46; Ex 1,10 usw. entsprechend der Verwendung in antiken Urkunden. Wären betreffende Stellen des Pentateuch erst während oder nach Salomo verfaßt, wäre neben dem Titel “Pharao” auch der betreffende Name des ägyptischen Königs zu erwarten (vgl. 1Kön 11,40). Dies ist aber im Pentateuch nirgends der Fall.
  11. Die Tatsache, daß praktisch im gesamten Pentateuch das Land Palästina stets mit Ägypten verglichen wird und nicht umgekehrt (vgl. Gen 13,10; Num 13,22; Dtn 11,10f u.v.a.), sowie Wendungen wie in Gen 33,18 “… Stadt Sichem, die im Land Kanaan ist” erwecken den Eindruck, daß sich der Schreiber außerhalb Kanaans befand und stets auf den Bezugspunkt Ägypten zurückgriff, der ihm und seinen Lesern aus eigener Anschauung bekannt war.
  12. Ex 3,1-3; Lev 16,10; Num 10,11-31; 11,32; 14,29-34; Dtn 23,12f u.a.
  13. Vgl. Ex 10,5+15; 19,4; 24,17; Num 11,22; 22,4f+11; 27,17; Dtn 1,31+44; 4,24; 9,3; 28,13; 28,44.49; 29,18f; 32,11 u.a.
  14. Vgl. Ex 13,4; 16,1; 19,1; 40,17; Num 1,1+18; 9,1; 10,11; 20,1; 33,1-39; Dtn 1,3 u.a.
  15. Besonders die lebensnahe, packende Schilderung der Ereignisse vor, während und nach Israels Auszug aus Ägypten wie Berufungsgeschichte Ex 3; Kampf mit Pharao Ex 7-10; goldenes Kalb und Moses Fürbitte Ex 32-33; Aussendung und Bericht der Kundschafter und die Folgen Num 13-14; Aufruhr der Rotte Korahs Num 16 u.a.
  16. z.B. die exakte Lagerplatzbeschreibung (Ex 15,27), die minutiöse Schilderung der Materialien und des Baus der Stiftshütte (Ex 35-40), die Beschreibung des Mannah (Num 11,7f), welches der Verfasser offenbar selbst gekostet haben muß, die Liste der Aufenthaltsorte während der Wüstenwanderung (Num 33). Die Fülle der Details in Exodus und Numeri steht übrigens im auffallenden Gegensatz zur Genesis.
  17. Beispiele siehe bei C.F. Keil/F. Delitzsch, Commentary on the Old Testament Vol.I The Pentateuch (Grand Rapids, Michigan, repr. 1981), I, 23 und C.F. Keil, Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in die kanonischen (seit 1859: und apokryphischen) Schriften des AT, 3. Aufl. (Gütersloh: 1873).
  18. Man beachte, daß die Existenz inhaltlicher Parallelen des älteren Codex Hamurabi zum Pentateuch (z. B. Erbgesetze) nicht gegen die göttliche Herkunft der mosaischen Gesetze spricht. Schließlich lassen sich auch bei Jesusworten oder Sätzen des Paulus jüdische und griechische Parallelen finden.
  19. Nach Apg 3,22f und 7,37 ist dabei zunächst an Dtn 18,15+18 zu denken. Walter C. Kaiser, The Messiah in the Old Testament (Grand Rapids/Michigan: Zondervan, 1995), S. 36-61 zählt sechs messianische Weissagungen des Pentateuch: Gen 3,15 (Same); Gen 9,17 (wohnen in den Hütten Sems); Gen 12,1-3 (alle Geschlechter werden gesegnet); Gen 49,8-12 (Shiloh); Num 24,15-19 (Stern) und Deut 15,15-18 (Prophet).
  20. Interessanterweise ergibt ein Vergleich der Parallelstellen, daß die Wendung “Mose hat geschrieben” (Mk 12,19; Luk 20,28) synonym gebraucht wurde zur etwas unschärferen Aussage “Mose hat gesagt” (Mt 22,24).
  21. Vgl. Sir 45,6; 2 Makk 7,30, die NT-Belege sowie Baba-Bathra 14b-15a.
  22. Joachim Jeremias dokumentiert in seinem ausführlichen Artikel über Mose in TWNT, IV, 852-878 eine lückenlose Tradition von der mosaischen Verfasserschaft des Pentateuch. Vgl. auch Wayne A. Meeks, The Prophet King (Leicester: 1967)
  23. Als Beispiele können Philo (De Op. Mun.; Vit. Mos. 3,39), Josephus (Ant. Jud. I,18ff; IV,8,48) und die Sekte von Qumran (1QS 1,3; 5,8; 8,15+22; CD 5,8+18+21; 8,14 u.a.; M 10,9; H 17,12; 4QFI 2,3; 4QT 1) angeführt werden.