Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 15. Jg. Heft 1 - April 2008
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Die Evolution der C4-Pflanzen
Ist C4-Photosynthese 45-mal unabhängig voneinander entstanden?

von Herfried Kutzelnigg

Studium Integrale Journal
15. Jahrgang / Heft 1 - April 2008
Seite 3 - 17


Zusammenfassung: Neben der gewöhnlichen Photosynthese (C3-Photosynthese) gibt es als weiteren Typ noch die so genannte C4-Photosynthese, die sich biochemisch und anatomisch deutlich unterscheidet. Diesem zweiten Weg folgen etwa 2-3% aller Blütenpflanzen. Sie sind breit über das System verteilt, so dass heute eine mindestens 45-malige Neuentstehung angenommen wird. C4-Photosynthese ist bei hohen Temperaturen und hoher Lichtintensität der C3-Photosynthese deutlich überlegen. Es ist aber nicht so, wie verschiedentlich behauptet wird, dass C4-Photosynthese der evolutiv fortgeschrittene Weg ist, während C3-Photosynthese und das mit ihr assoziierte Enzym Rubisco eine Fehlkonstruktion darstellen. Die gängige Vorstellung über die Entstehung der C4-Photosynthese ist die, dass die zahlreichen dafür notwendigen genetischen Voraussetzungen immer wieder konvergent neu entstanden sind. Dies ist aber in hohem Maße unwahrscheinlich. Der vorliegende Artikel bespricht die zum Verständnis der Herkunft des C4-Weges nötigen Grundlagen der Anatomie, Biochemie, Ökophysiologie und Entwicklungsbiologie und schlägt als alternatives Erklärungsmodell für die Entstehung der C4-Photosynthese vor, dass der C4-Komplex jeweils im Erbgut der Vorfahren bereits latent vorhanden war, um im Bedarfsfall aktiviert zu werden.




Einleitung

Bei der Photosynthese der grünen Pflanzen wird die von der Sonne kommende Lichtenergie in chemische Energie umgewandelt, die für den Aufbau organischer Verbindungen gebraucht wird. Man unterscheidet zwei nacheinander ablaufende Reaktionen: Bei der so genannten Lichtreaktion wird das Sonnenlicht zur Spaltung von Wasser verwendet. Dabei entsteht die in Form von ATP gespeicherte chemische Energie sowie der für den Stoffaufbau so wichtige reaktionsfähige Wasserstoff (gebunden an NADP). Der frei werdende Sauerstoff wird an die Atmosphäre abgegeben. Die nachfolgende chemische Reaktion ist nicht direkt lichtabhängig und wird daher als Dunkelreaktion bezeichnet. Hierbei wird Kohlendioxid im Standardfall von einem Molekül mit fünf Kohlenstoff-Atomen (Ribulose) gebunden, und es entstehen zwei Moleküle mit drei C-Atomen (sog. C3-Körper). Dieser weltweit einmalige Prozess wird durch das Enzym Rubisco (= Ribulose-1.5.bisphosphat-Carboxylase-Oxygenase) katalysiert. Die so entstandenen C3-Verbindungen sind Ausgangsbasis für den Aufbau von Kohlenhydraten und anderen organischen Verbindungen. Der bei der Reaktion zunächst verbrauchte C5-Körper wird schließlich durch einen als Calvin-Zyklus bezeichneten Stoffwechselweg regeneriert.

Abb. 1: Die Grüne Borstenhirse (Setaria viridis) ist eines der wenigen Beispiele der heimischen wild vorkommenden C4-Pflanzen. Man findet das Gras vor allem auf sandigen Äckern. Foto: Hiroshi Moriyama, mit freundlicher Genehmigung.

Den hier beschriebenen Standardfall nennt man C3-Photosynthese, weil das erste fassbare Photosyntheseprodukt ein Molekül mit 3 C-Atomen ist.

Neben dieser C3-Photosynthese gibt es noch eine weitere Möglichkeit, die so genannte C4-Photosynthese, bei der ein Molekül mit 4 C-Atomen das erste Photosyntheseprodukt darstellt. Diesem zweiten Weg folgen etwa 2-3% der Blütenpflanzen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um einen Prozess, der Kohlendioxid anreichert, welches dann nach dem oben beschriebenen Muster der Dunkelreaktion der eigentlichen Photosynthese zur Verfügung gestellt wird. Diese Dunkelreaktion findet typischerweise in den auffällig vergrößerten Zellen der Leitbündelscheide im Blattinneren statt, die wegen ihrer kranzförmigen Anordnung allgemein als Kranzzellen bezeichnet werden. Die Vorfixierung des CO2 erfolgt durch das Enzym PEP-Carboxylase (= Phosphoenolpyruvat-Carboxylase). Kennzeichnend für C4-Pflanzen ist also eine der Dunkelreaktion vorgeschaltete CO2-Fixierung.

Ihren vollen Nutzen entfaltet die C4-Photosynthese bei hohen Beleuchtungsstärken, wie wir sie etwa in den Tropen vorfinden, oder auch unter bestimmten anderen Randbedingungen (vgl. Abschnitt „Ökophysiologie“).

Bekannte Nutzpflanzen mit C4-Photosynthese sind Mais und Zuckerrohr sowie Mohren- und Rispenhirse.

Zur Unterscheidung von anderen Mechanismen der CO2-Anreicherung sind nach Sage (2004) C4-Pflanzen so definiert, dass das gesamte in der Dunkelreaktion der Photosynthese durch das Enzym Rubisco verarbeitete Kohlendioxid auf die Tätigkeit der PEP-Carboxylase zurückgeht.

Unsere Kenntnis über C4-Pflanzen ist noch nicht sehr alt. Ein erster Übersichtsartikel wurde von Downton (1975) vorgelegt. Zahlreiche einschlägige Artikel wurden 1999 von Sage & Monson in Buchform herausgegeben. Der jüngste Überblicksartikel stammt von Sage (2004). Ein großer Teil der im Folgenden wiedergegeben Daten entstammt den beiden letzteren Arbeiten.

C4-Photosynthese soll im Laufe der Evolution mehrfach unabhängig voneinander entstanden sein und das in völlig verschiedenen systematischen Einheiten des Pflanzenreichs. Nach neuesten Daten vermutet man eine mindestens 45-malige Neuentstehung der C4-Photosynthese (Sage 2004). Diese bemerkenswerte Hypothese hat Biologen immer wieder in Erstaunen versetzt. Es ist nur schwer erklärbar, wie ein so komplexer alternativer Stoffwechselweg gleich in so vielen Fällen parallel entstehen konnte.

Das Erstaunen ist bis zum heutigen Tag geblieben, und so scheint es lohnend, einmal näher zu betrachten, was derzeit über C4-Photosynthese sowie ihre Verbreitung und Entstehung bekannt ist.

Außer dem C3-Weg und dem C4-Weg gibt es noch einen dritten Weg der Photosynthese, nämlich die CAM-Photosynthese. Diesem Weg folgen etwa 16.000 bis 20.000 Arten, das sind bezogen auf Blütenpflanzen etwa 5-7%. CAM-Photosynthese ist benannt nach der Familie der Dickblattgewächse (Crassulaceae), bei der dieser Weg zuerst nachgewiesen wurde (Crassulacean Acid Metabolism = Crassulaceen-Säurestoffwechsel; die Abb. zeigt das Fettkraut als einen Vertreter). Er hat mit der C4-Photosynthese sehr viel gemeinsam (vgl. Abb. 3) und kann auch als deren Variante aufgefasst werden. Bei der CAM-Photosynthese sind die beiden Teilprozesse der Photosynthese (Licht- und Dunkelreaktion) nicht räumlich, sondern zeitlich getrennt, indem das Kohlendioxid nachts in Form von organischen Säuren (Äpfelsäure) gespeichert wird, um tagsüber bei geschlossenen Spaltöffnungen wieder freigesetzt zu werden und damit der Photosynthese zur Verfügung zu stehen.

Der Vorteil ergibt sich vorwiegend auf trockeneren Standorten. In der Hitze des Tages können die Spaltöffnungen des Blattes geschlossen sein, um Wasserverluste niedrig zu halten; trotzdem steht genügend gespeichertes CO2 zur Verfügung. Nachts, wenn die Luft abkühlt und feuchter wird, können die Spaltöffnungen geöffnet und erneut CO2 für den nächsten Tag aufgenommen und gespeichert werden.

Auch die CAM-Photosynthese ist breit und unsystematisch über das Pflanzensystem verteilt (Winter & Smith 1996, Crayn et al. 2004). Man findet sie sogar bei drei Familien der Farnpflanzen und einer Familie der Nacktsamer, insgesamt bei der beachtlichen Zahl von 33 Pflanzenfamilien. Schwerpunkte liegen bei Arten extrem trockener Standorte, namentlich bei wasserspeichernden Pflanzen (Sukkulenten) und bei Epiphyten tropischer Wälder.

Die Diskussion über die Evolution der CAM-Pflanzen bringt viele Parallelen zur C4-Photosynthese. Wir wollen uns aber hier auf letztere konzentrieren.

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Verbreitung der C4-Photosynthese

Verbreitung im Pflanzensystem. Man nahm lange Zeit an, C4-Photosynthese wäre auf die Angiospermen (= Bedecktsamige Blütenpflanzen) begrenzt. Allerdings wusste man schon lange, dass alle Cyanobakterien und viele Algen ebenfalls Mechanismen zur vorgeschalteten CO2-Konzentrierung besitzen. Vor kurzem wurde dann auch bei einem einzelligen Organismus, der Kieselalge (Diatomee) Thalassiosira weissflogii, eine typische C4-Photosynthese festgestellt (Reinfelder et al. 2000; 2004). Dies ist der bisher erste Fall einer C4-Pflanze außerhalb der Angiospermen. Da man aber inzwischen auch Angiospermen kennt, bei denen alle Prozesse der C4-Photosynthese in ein- und derselben Zelle ablaufen, ist an dieser Stelle die Grenze zwischen Angiospermen und anderen grünen Pflanzen aufgeweicht worden.

Tab. 1: Vorkommen von C4-Photosynthese bei Familien der Bedecktsamer (Angiospermen). Gattungen, die außer C4-Arten auch C3-Arten besitzen, sind durch p.p. gekennzeichnet. Gattungen, in denen C3-C4-Intermediäre vorkommen, sind durch * gekennzeichnet. Bei den Brassicaceae ist nur Cleome eine C4-Art, Diplotaxis und Moricandia sind mit aufgeführt, da es dort C3-C4-intermediäre Arten gibt. Eine gewisse Häufung des Vorkommens von C4-Pflanzen findet man bei einigen Familien der Ordnung Caryophyllales (Nelkenartige); sie sind durch den Zusatz „Caryo“ kenntlich gemacht. (Nach Daten aus Sage & Monson (1999) und Sage (2004), ergänzt).

Von den etwa 300.000 Arten der Angiospermen sind knapp 8.000 C4-Pflanzen, also rund 2-3%. Diese nehmen allerdings aufgrund ihrer hohen Individuenzahlen etwa 17% der Landoberfläche ein und bestreiten Hochrechnungen zufolge bis zu 30% der globalen Photosynthese.

Wegen der weltweiten Klimaerwärmung ist schon in naher Zukunft mit einem Anstieg der C4-Photosynthese zu rechnen, dem allerdings die ebenfalls ansteigende Kohlendioxid-Konzentration der Atmosphäre entgegenwirken wird.

Der C4-Merkmalskomplex kommt an den verschiedensten Stellen des Systems der Angiospermen vor (Tab. 1). Es sind 3 Familien der Einkeimblättrigen (Monokotyledonen) und 16 Familien der Zweikeimblättrigen (Dikotyledonen) betroffen. Insgesamt gibt es C4-Photosynthese bei 19 Familien, 490 Gattungen und 7.600 Arten.

Die meisten C4-Pflanzen findet man bei den Einkeimblättrigen. Spitzenreiter ist die Familie der Süßgräser (Poaceae) mit 4.500 Arten. Hier haben 372 Gattungen C4-Arten und 428 Gattungen C3-Arten. Es folgen die Cyperaceae (Sauergräser) mit 1.500 Arten. Demgegenüber treten die Zweikeimblättrigen mit insgesamt nur etwa 1.200 Arten deutlich zurück. Hier stehen an erster Stelle die Gänsefußgewächse (Chenopodiaceae) mit etwa 550 Arten.

Geographische Verbreitung der C4-Pflanzen. Der Verbreitungsschwerpunkt der C4-Pflanzen liegt im tropischen/subtropischen Bereich, namentlich in offenen, heißen Graslandschaften mit zeitweilig reichen Niederschlägen. Darüber hinaus stellen sie aber auch typische Elemente von Salzstandorten unterschiedlicher Klimazonen dar.

In Mitteleuropa spielen C4-Pflanzen eine absolut untergeordnete Rolle, wenn man einmal von der zunehmenden Maiskultur absieht. Als heimische Wildpflanzen gibt es einige wenige Arten der Meeresküste, z.B. das Kali-Salzkraut. Im Binnenland findet man C4-Arten an Salzstandorten, auf sandigen Äckern, Industriebrachen, Bahngelände usw. Hierher gehören vor allem Amaranthus-Arten (Fuchsschwanz), und verschiedene Fingergräser wie Setaria (Borstenhirse, Abb. 1), Digitaria-Arten (Fingerhirse) und Echinochloa (Hühnerhirse). Diese Arten sind ganz überwiegend erst in jüngerer Zeit bei uns eingeschleppt worden und zeigen im Rahmen der globalen Erwärmung Ausbreitungstendenzen.

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Das Nebeneinander von C3- und C4-Photosynthese im Pflanzensystem

Ebene der Familien: Es gibt (fast) keine reinen C4-Familien. Interessanterweise ist die C4-Photosynthese ein Phänomen, das so gut wie nie als durchgängiges Charakteristikum einer Pflanzenfamilie in Erscheinung tritt. Wie aus Tab. 1 hervorgeht, ist der Anteil der C4-Pflanzen an den Familien sehr unterschiedlich. Er liegt oft nur um 1% und erreicht bei den Gräsern mit 46% der Arten seinen Höchstwert. Einzige Ausnahme ist die mit nur 5 Arten sehr kleine Familie der Gisekiaceae, die alle dem C4-Weg folgen.

Ebene der Gattungen: Mischgattungen mit C3- und C4-Arten. Gattungen sind in der Mehrzahl der Fälle bezüglich des Photosynthese-Typs einheitlich, d.h. sie verfügen entweder nur über C4-Arten (490 Gattungen) oder nur über C3-Arten. Aber es gibt bemerkenswerte Ausnahmen, insgesamt 26 Gattungen, verteilt auf 7 Familien, die sowohl über C4- als auch C3-Arten verfügen. Sie sind in der in Tab. 1 getroffenen Auswahl von Gattungen durch p.p. gekennzeichnet. Zu diesen Mischgattungen gehören z.B. Flaveria (eine amerikanische Gattung der Korbblütler; engl. yellow top), Chenopodium (Gänsefuß) und die Riesengattung Euphorbia (Wolfsmilch), bei der 500 von insgesamt 2.000 Arten dem C4-Weg folgen.

Abb. 2: Die auch als Aquarienpflanze bekannte Lebendgebärende Sumpfsimse (Eleocharis vivipara), hier in der Landform mit C4-Photosynthese. Die unter Wasser lebende Modifikation betreibt C3-Photosynthese. Foto: A. Murray, University of Florida/IFAS Center for Aquatic and Invasive Plants. Abdruck mit freundlicher Genehmigung

Ebene der Arten: C3-/C4-Intermediäre. Es gibt etwa 30 Arten (verteilt auf 11 Gattungen bzw. 7 Familien), die sowohl C3- als auch C4-typische Elemente vereinigen. Sie sind bei den Gattungsbeispielen in Tab. 1 durch ein * hervorgehoben. Man nennt sie C3-C4-Mischtypen oder C3-C4-Intermediäre. Sie sollen hier etwas näher betrachtet werden, da sie für die Frage nach der Evolution der C4-Photosynthese von besonderem Interesse sind. Die Art und Weise, wie die Mischtypen sowohl C3- als auch C4-Aspekte aufweisen, ist von Fall zu Fall sehr verschieden. Bezüglich der Verteilung der C3- und C4-Aspekte kann man folgende Möglichkeiten unterscheiden (Sage & Monson 1999):

1. Die Pflanzen sind im eigentlichen Sinne intermediär und zeigen gleichzeitig sowohl Aspekte der C4- als auch der C3-Photosynthese: Entsprechend ist auch die Photosynthesebilanz intermediär, wobei mal der eine, mal der andere Aspekt überwiegen kann. Hierhin gehören die meisten Fälle, so etwa die bereits genannte Gattung Flaveria (Abb. 8), die neben typischen C4-Arten und typischen C3-Arten auch intermediäre Arten ausbildet. Man beachte, dass diese nicht zu den C4-Pflanzen gezählt werden, da sie nicht der eingangs genannten Definition entsprechen, wonach alles in der Dunkelreaktion verarbeitete Kohlendioxid auf die PEP-Carboxylase zurückgehen muss.

2. Die Pflanzen sind je nach Entwicklungsstadium entweder C3- oder C4-Pflanzen: Sie folgen anfänglich dem C3-Weg und später dem C4-Weg. So ist z.B. der Mais (Zea mays) als Keimpflanze eine C3-Pflanze und erst später eine C4-Pflanze.

3. Die Pflanzen sind je nach Umweltbedingungen entweder C3- oder C4-Pflanzen: Die als untergetaucht lebende (submerse) Aquarienpflanze bekannte Sumpfsimsen-Art Eleocharis vivipara (Cyperaceae; Abb. 2) folgt im Wasser dem C3-Weg, als Landpflanze dem C4-Weg (Ueno 2001). Die ebenfalls submerse Wasserpflanze Hydrilla verticillata (Hydrocharitaceae; Quirlblättrige Grundnessel) schaltet vom C4-Weg auf den C4-Weg um, sobald im umgebenden Wasser die CO2-Konzentration einen kritischen Wert unterschreitet (Reiskind et al. 1997). Ähnlich ist die Situation bei den verwandten Wasserpest-Arten (Casati et al. 2000; Abb. 7). Man nennt diese Gruppe intermediärer Arten auch Pflanzen mit induzierbarem C4-Syndrom.

4. Unterschiedliche Ausprägung bei Unterarten: Dieser Fall liegt in der Grasgattung Alloteropsis vor. Die Unterarten unterscheiden sich hinsichtlich des Photosynthese-Typs. Sie sind in der Lage, lebensfähige Hybriden zu erzeugen, die sich intermediär verhalten.

5. Zellen mit C4-Photosynthese innerhalb von C3-Pflanzen: Hier handelt es sich um ein erst 2002 entdecktes, noch sehr wenig bekanntes Phänomen: Nicotiana (Tabak) ist ganz überwiegend C3-Pflanze, aber in den Leitbündelscheiden der Stängel und Blattstiele findet Photosynthese nach dem Muster der C4-Pflanzen statt (Hibberd & Quick 2002). Das nötige Kohlendioxid wird in der für C4-Pflanzen typischen Weise durch die enzymatische Abspaltung von einem C4-Körper zur Verfügung gestellt, der auf dem Wege über das Leitgewebe zu seinem Einsatzort gelangt.

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Biochemie der C4-Photosynthese

C4-Pflanzen verarbeiten das aufgenommene CO2 nicht wie C3-Pflanzen direkt im Calvin-Zyklus, sondern reichern es in der Regel in speziellen Zellen an (siehe Abschnitt „Anatomie der C4-Pflanzen“), um es dann in den Calvin-Zyklus einzuspeisen.

Der typische Verlauf der C4-Photosynthese stellt sich wie folgt dar (vgl. Abb. 3): In den normalen grünen Blattzellen, dem Mesophyll, nimmt Phosphoenolpyruvat (= PEP) Kohlendioxid auf und wird dabei durch Vermittlung des Enzyms PEP-Carboxylase zu Oxalacetat, also jener Verbindung, die wegen ihrer vier C-Atome namengebend für die C4-Photosynthese ist. Das Oxalacetat wird (beim Standardtyp) anschließend unter Aufnahme von reaktionsfähigem Wasserstoff (aus NADPH2) zu Malat reduziert.

Abb. 3: Die wichtigsten Reaktionsschritte der C4-Photosynthese (Standardfall): Wie die Kopfzeile zeigt, findet der erste Teilschritt in den normalen Blattzellen (Mesophyllzellen) statt. Er besteht im Wesentlichen darin, dass Kohlendioxid aufgenommen und gespeichert wird. Der zweite Teilschritt findet in den Zellen der Leitbündelscheide, den Kranzzellen, statt. Dort wird das vorfixierte CO2 wieder frei gesetzt und der Dunkelreaktion der Photosynthese zugeführt. C4-Photosynthese ist danach benannt, dass durch die Reaktion von Phosphoenolpyruvat (= PEP) mit CO2 ein Molekül mit 4 C-Atomen entsteht, das Oxalacetat. Zu Details siehe den Abschnitt „Biochemie der C4-Photosynthese“. – Die Fußzeile macht deutlich, dass bei der CAM-Photosynthese vergleichbare Prozesse ablaufen wie bei der C4-Photosynthese, nur dass diese hier nicht räumlich, sondern zeitlich getrennt sind.

Dieses Malat als Speicherform des Kohlendioxids kann nun von der Pflanze transportiert werden. Es gelangt in die Zellen der Leitbündelscheide, die so genannten Kranzzellen. Dort werden das aufgenommene CO2 und der reaktionsfähige Wasserstoff wieder abgespalten, und es bleibt Pyruvat zurück. Das CO2 wird dann in der von der C3-Photosynthese bekannten Weise in den Calvin-Zyklus eingeschleust. Schlüsselenzym hierfür ist, wie oben erwähnt, die Rubisco. Das Pyruvat wird, damit sich der Kreislauf schließen kann, wieder zurück in die Blattzellen transportiert, wo es unter ATP-Verbrauch zu Phosphoenolpyruvat (PEP) umgebaut wird. Das zugehörige Enzym ist die PPDK = Pyruvat-Phosphat-Dikinase. Damit ist der Kreislauf geschlossen. Nach seinen Entdeckern spricht man auch vom Hatch-Slack-Zyklus.

In der folgenden vereinfachten Kurzdarstellung sind die in den Zellen der Leitbündelscheide stattfindenden Teilprozesse in blauer Schrift:

CO2 + Phosphoenolpyruvat –› Oxalacetat –› Malat –› Malat –› CO2 + Pyruvat –› Pyruvat –› Phosphoenolpyruvat

Im Wesentlichen handelt es sich um eine der eigentlichen Photosynthese vorgeschaltete CO2-Fixierung, also eine Art CO2-Pumpe. Sie stellt der mit dem Enzym Rubisco beginnenden Dunkelreaktion weit mehr CO2 zur Verfügung, als dies bei der normalen C3-Photosynthese der Fall ist.

In einigen Fällen kann anstelle von Malat auch Aspartat als CO2-Speicher dienen. Darauf wird weiter unten noch einzugehen sein.

Der Prozess (namentlich der Rücktransport des Pyruvats in die Mesophyllzellen) verbraucht Energie, und zwar werden pro fixiertem Kohlendioxid-Molekül zwei Moleküle ATP zusätzlich verbraucht.

Auf der anderen Seite hat die Vorfixierung durch die PEP-Carboxylase Vorteile, die unter bestimmten Randbedingungen den erhöhten Energieverbrauch mehr als wett machen:

  1. Die PEP-Carboxylase besitzt eine deutlich höhere Umsatzgeschwindigkeit von CO2 als die Rubisco. Deswegen ermöglicht die C4-Photosynthese auch bei relativ geringen Mengen von verfügbarem CO2 im Blatt noch eine positive Photosynthesebilanz.
  2. Durch die Tätigkeit der PEP-Carboxylase entfallen die durch die so genannte Lichtatmung oder Photorespiration (siehe folgenden Abschnitt) bedingten Bilanzverluste, allerdings gewöhnlich erst ab einer Temperatur von etwa 28 °C.

Photorespiration (= Lichtatmung) In Diskussionen über die Evolution der C4-Photosynthese taucht immer wieder das Stichwort „Lichtatmung“ auf. Daher soll hier etwas ausführlicher auf dieses Thema eingegangen werden.

Lichtatmung kommt dadurch zustande, dass die Rubisco nicht nur mit CO2, sondern auch mit O2 reagieren kann (doppelte Affinität). Bei C4-Pflanzen entfällt das Problem praktisch, da die hier tätige PEP-Carboxylase CO2-spezifisch ist und am Einsatzort der Rubisco im Inneren des Blattes der Sauerstoff vergleichsweise gering konzentriert ist.

Falls die Rubisco mit Sauerstoff anstelle von CO2 reagiert, entstehen durch die Oxygenierung von Ribulosebisphosphat Abbauprodukte, die zur Folge haben, dass die benötigten Ausgangsstoffe in einem aufwändigen und Energie verbrauchenden Prozess wieder aufgebaut werden müssen (Glykolatweg). Bei dem Prozess sind neben den Chloroplasten auch Peroxisomen und Mitochondrien beteiligt. Photorespiration hängt naturgemäß vom Verhältnis von O2 zu CO2 der Umgebung ab. Je weniger CO2 vorhanden ist, desto häufiger kommt es zur Abbaureaktion. Die Photorespiration steigt außerdem mit zunehmender Temperatur und zunehmender Lichtintensität an (solange Photosynthese überhaupt noch möglich ist). Unter den zur Zeit herrschenden Bedingungen unserer Erdatmosphäre wird bei einer Temperatur von 25 °C die Stoffbilanz aufgrund der Photorespiration um etwa 20-30% verringert. Entsprechend kann man eine Nettophotosynthese, bei der die Verluste durch Lichtatmung bereits abgezogen sind, von einer Bruttophotosynthese unterscheiden.

Wegen dieses Stoff- und Energieverlustes der Photorespiration bezeichnen einige die Rubisco als Fehlkonstruktion und die Photorespiration als Energieverschwendung.

Dem ist entgegen zu halten, dass mindestens im gemäßigten Klima der Lichtatmung verschiedene bedeutende Aufgaben zufallen:

  • So weiß man schon seit einiger Zeit, dass die Lichtatmung für die Biosynthese der Aminosäuren Glycin und Serin von zentraler Bedeutung ist, wenn auch nicht zwingend erforderlich (vgl. Hess 1999, Kutschera 2002).
  • Auch hat man schon seit längerem Anhaltspunkte dafür, dass „die Photorespiration den photosynthetischen Apparat vor Schaden durch Photooxidation bewahrt, wenn zu wenig CO2 vorhanden ist, und die absorbierte Lichtenergie anderweitig verbraucht werden muß“ (Voet et al. 2002). Dies muss in einem geordneten Prozess geschehen, denn die vom Chlorophyll bereitgestellte Energie kann, wenn sie nicht verbraucht wird, beträchtlichen Schaden anrichten. Kindl (1994) schreibt dazu: „... Ein Befund, der vielleicht den Schlüssel zum Verständnis der Notwendigkeit der Photorespiration gibt: Mutanten, die keine Photorespiration durchführen können, sind nicht überlebensfähig.“ Das hängt damit zusammen, dass sich die Pflanzen infolge der ungeordneten Energieübertragung selbst zerstören.
  • Eine weitere wichtige Funktion der Lichtatmung haben kürzlich Rachmilevitch et al. (2004) zeigen können: Sie ist maßgeblich an der Nitrat-Assimilation beteiligt, also daran, dass in dem aus dem Boden aufgenommenen Nitrat der dort gebundene Stickstoff freigesetzt und für den Aufbau von Aminosäuren zur Verfügung gestellt wird.
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Anatomie der C4-Pflanzen
Abb. 4: Blattquerschnitt vom Mais (Zea mays), einer typischen C4-Pflanze. Im Blattinneren erkennt man neben den normalen Blattzellen (Mesophyllzellen) auffällige Zellen, die die Leitbündel kranzförmig umgeben und daher auch Kranzzellen genannt werden. In ihnen findet die Dunkelreaktion der Photosynthese statt. Nach David Webb, mit freundlicher Genehmigung.

Typische C4-Pflanzen besitzen einen sehr charakteristischen Bau ihrer Leitbündelscheiden in den Blättern (Abb. 4). Da die Bündelscheidenzellen wie ein Kranz die Leitbündel umgeben, spricht man auch von Kranzanatomie – ein Begriff, der sich übrigens auch im englischsprachigen Schrifttum als „Kranz anatomy“ wiederfindet. Unsere Kenntnis über die Blattanatomie der C4-Pflanzen, wie man sie etwa vom Blattquerschnitt vom Mais kennt, ist dabei übrigens wesentlich älter als die ihrer Funktion.

Die Kranzzellen (Abb. 5) sind größer als die Nachbarzellen. Sie haben eine große Vakuole und auffällig große Chloroplasten. Letztere besitzen, da hier gewöhnlich nur die Dunkelreaktion der Photosynthese erfolgt, meist keine oder nur schwach entwickelte Grana, führen aber reichlich Stärke. In ihnen wird das in Form von Malat gespeicherte CO2 wieder freigesetzt und im Calvinzyklus weiter verarbeitet.

Über Abweichungen vom geschilderten Grundbau vergleiche man den Abschnitt „Diversität der C4-Pflanzen“.

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Ökophysiologie der C4- und der C3-Photosynthese

Wie schon deutlich wurde, ist es eine Frage der Außenbedingungen, welcher der beiden Photosynthesewege jeweils der günstigere ist.

Vereinfacht kann man sagen, dass C4-Pflanzen gehäuft an heißen, trockenen Standorten sowie an Salzstandorten zu finden sind, während C3-Pflanzen im gemäßigten Klima den größten Anteil der Vegetation darstellen. Bei allem Respekt vor den zum Teil erstaunlichen Photosyntheseleistungen einiger C4-Pflanzen darf man nicht vergessen, dass C3-Pflanzen immerhin etwa 83% der gesamten Landvegetation der Erde ausmachen.

Abb. 5: Ausschnitt aus dem Blattquerschnitt vom Mais (elektronenmikroskopische Aufnahme). Im oberen Teil findet man in normalen Blattzellen (Mesophyllzellen) normale Chloroplasten mit Grana (als kleine, dunkle Rechtecke erkennbar). Im unteren Teil ist eine Zelle der Leitbündelscheide angeschnitten, deren Chloroplasten keine (oder nur schwach entwickelte) Grana besitzen, aber zahlreiche kleine Stärkekörner (im Bild als helle, ovale Flächen erscheinend) enthalten. Ganz unten erkennt man in der angeschnittenen Zelle der Leitbündelscheide einen Teil der großen Zellsaftvakuole. (Quelle: Internet)

C4-Photosynthese:

Bei folgenden Faktoren bzw. Kombinationen davon weisen C4-Pflanzen eine im Vergleich zu C3-Pflanzen günstigere Stoffbilanz auf:

  1. Niedriger CO2-Partialdruck,
  2. hohe Lichtintensität
  3. hohe Temperaturen (tagsüber),
  4. Trockenheit (begrenzt),
  5. Salzbelastung des Standorts,
  6. geringes Mineralsalzangebot (vor allem Nitrat).

Zu 1: Das CO2-Angebot ist oft der begrenzende Faktor der Photosynthese. C4-Pflanzen reichern in den Kranzzellen die CO2-Konzentration auf etwa das Zehnfache an. Unter solchen Bedingungen gibt es praktisch keine Verluste durch Photorespiration (siehe oben). Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

Niedriger CO2-Partialdruck kann auch für Wasserpflanzen zum begrenzenden Faktor werden, was zunächst vielleicht überraschen mag. Jedoch kann die Verfügbarkeit von CO2 im Wasser unter Umständen so niedrig sein, dass beim C3-Weg keine positive Nettophotosynthese stattfindet.

Zu 2: Die Erhöhung der Lichtintensität fördert die Photosyntheserate. Ab einer bestimmten Lichtintensität stellt CO2 bei der C3-Photosynthese, nicht aber bei der C4-Photosynthese den begrenzenden Faktor dar. Einer noch weiteren Erhöhung der Lichtintensität sind allerdings Grenzen gesetzt, da es zu Schäden durch Photooxidation kommen kann.

Zu 3: Hohe Temperaturen fördern die Reaktion der Rubisco mit O2 und damit die Photorespiration, wie oben ausführlich dargelegt wurde. Hohe Temperaturen sind daher für C3-Pflanzen ungünstig. Ab einer Temperatur von etwa 28 °C ist C4-Photosynthese der C3-Photosynthese überlegen. Das Optimum liegt bei C4 zwischen 30 °C und 40 °C. In Zonen mit niedrigen Temperaturen werden dagegen die Vorteile der C4-Photosynthese aufgehoben, es sei denn, es handelt sich um Salzpflanzen oder andere Pflanzen von Sonderstandorten.

Zu 4: Trockenheit: Da C4-Pflanzen wegen der besseren Ausnutzung von CO2 die Spaltöffnungen, durch die das CO2 in die Blätter gelangt, stärker geschlossen halten können als C3-Pflanzen, entweicht bei ihnen vergleichsweise weniger Wasserdampf. Deshalb benötigen C4-Pflanzen bei gleicher Nettophotosynthese nur etwa 1/3 bis 1/2 der von C3-Pflanzen verbrauchten Wassermenge.

Allerdings sind C4-Pflanzen darüber hinaus nicht besser an Trockenheit angepasst als C3-Pflanzen. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass es an sehr trockenen Standorten auch viele C3-Pflanzen gibt, die offensichtlich bestens an ihre Umwelt angepasst sind.

Das durch pflanzengeographische Untersuchungen bekannte scheinbare Paradox, wonach bei geringeren Niederschlägen der Anteil an C3-Pflanzen auf Kosten der C4-Pflanzen zunimmt, konnte kürzlich auch experimentell bestätigt werden (Ripley et al. 2007). Der Hauptgrund liegt offensichtlich darin, dass C3-Pflanzen in ihrem Stoffwechsel vielseitiger sind.

Zu 5: Salzpflanzen (= Halophyten) leiden indirekt unter Trockenstress, da es bei einer hohen Kochsalz-Konzentration des Bodens bzw. des umgebenden Salzwassers schwierig ist, an das benötigte Wasser zu kommen. Insofern ist hier die bessere Wassernutzungseffizienz der C4-Photosynthese von großem Vorteil. Entsprechend sind sehr viele Halophyten ausgesprochene C4-Pflanzen.

Zu 6: Der geringere Bedarf an Stickstoffverbindungen ergibt sich daraus, dass C4-Pflanzen nur etwa 1/3 bis 1/6 der bei C3-Pflanzen üblichen Menge des Enzyms Rubisco enthalten, da es weitgehend auf die Zellen der Leitbündelscheiden begrenzt ist. Dadurch ersparen sie sich erhebliche Mengen an Stickstoff, der sonst zum Aufbau dieser Eiweißkörper benötigt worden wäre.

Abb. 6: Experiment zur CO2-Konkurrenz zwischen der C3-Pflanze Weizen (Triticum aestivum) und der C4-Pflanze Mais (Zea mays), auch „Killermais-Experiment“ genannt. Die Keimpflanzen wurden bei weißem Dauerlicht und Zimmertemperatur in einem luftdicht verschlossenen Gefäß kultiviert. Nach 2 Wochen ist die Weizenpflanze abgestorben, während der Mais durch effektivere Ausnutzung von CO2 noch Photosynthese betreibt und daher (noch) überlebt. Nach Kutschera (2006), Abdruck mit freundlicher Genehmigung. Das Experiment soll die allgemeine Überlegenheit von C4-Pflanzen gegenüber C3-Pflanzen demonstrieren. Streng genommen zeigt es aber nur, dass unter speziellen Bedingungen, die für das Wachstum von C4-Pflanzen günstig sind, diese das verfügbare CO2 effektiver nutzen können als C3-Pflanzen.

C3-Photosynthese: Bei folgenden Faktoren bzw. ihren Kombinationen davon weisen C3-Pflanzen eine im Vergleich zu C4-Pflanzen günstigere Stoffbilanz auf:

  1. Ausreichender CO2-Partialdruck,
  2. geringe Lichtintensität,
  3. niedrige Temperaturen,
  4. hohe Luftfeuchtigkeit.

Zu 1: Unter den durchschnittlichen Randbedingungen des gemäßigten Klimas reicht die Verfügbarkeit von CO2 im Allgemeinen für eine ausreichende Photosynthesebilanz aus.

Zu 2: Auch die vergleichsweise geringe Lichtintensität unserer Breiten reicht im Allgemeinen aus. Sie hat dazu den Vorteil, dass sich Schäden durch Photooxidation in Grenzen halten bzw. durch Photorespiration kompensiert werden können.

Zu 3: Die optimale Wachstumstemperatur für C3-Pflanzen liegt zwischen 15 und 20 °C. In diesem Bereich sind sie den C4-Pflanzen deutlich überlegen, da der durch Photorespiration bedingte Energieverlust geringer ausfällt als der für die CO2-Konzentrierung erforderliche Energieaufwand.

C3-Pflanzen sind im Übrigen durch verschiedene Strategien an zeitweilig auftretenden Kältestress angepasst. Die meisten C4-Pflanzen sind hingegen kälteempfindlich. Das hat zur Folge, dass viele C4-Agrarpflanzen – darunter Mais, Hirse und Zuckerrohr – in weiten Teilen der Erde nicht angebaut werden können (Heldt 2003).

Zu 4: Bei ausreichender Luftfeuchtigkeit und unter Schattenbedingungen entfallen die Vorteile der C4-Photosynthese, so dass der Aufwand für eine Pumpe zur Kohlendioxid-Konzentration sich nicht lohnt.

Konkurrenzversuche zur Photosynthese – das Killermais-Experiment. Ein von Kutschera eingeführter Praktikumsversuch (Abb. 6) zeigt anschaulich, dass bei bestimmten Randbedingungen der Mais als Beispiel für eine C4-Pflanze deutlich dem Weizen als C3-Pflanze überlegen ist (vgl. Kutschera 2002; 2006). Die Randbedingungen sind neben der optimalen Versorgung mit Wasser und Nährsalzen folgende: Dauerlicht, Zimmertemperatur und ein stark begrenzter CO2-Vorrat aufgrund eines für beide Pflanzen gemeinsamen, luftdicht abgeschlossenen Glasgefäßes. Nach 1-2 Wochen ist der Weizen abgestorben, während der Mais noch überlebt, zuletzt auf Kosten des Weizens, weshalb man auch vom „Killermais-Experiment“ spricht.

Was ist geschehen? Die C4-Pflanze hat bei der gegebenen Temperatur und unter der Bedingung von Dauerlicht eine günstigere Stoffbilanz und wächst besser. Mit der Zeit wird wegen des luftdicht verschlossenen Gefäßes der CO2-Vorrat immer kleiner. Jetzt kann die C4-Pflanze noch eine Weile überleben, weil die C4-typische PEP-Carboxylase bei einem relativ niedrigen CO2-Partialdruck noch zu arbeiten vermag und sogar noch von der absterbenden Weizenpflanze im Rahmen von Abbauprozessen CO2 bezieht.

Der Versuch soll die Überlegenheit der C4-Pflanzen demonstrieren, vor allem auch zur Untermauerung der hypothetischen Annahme, die Rubisco wäre eine Fehlkonstruktion (vgl. unten). Tatsächlich zeigt der Versuch aber nur, dass C4-Photosynthese unter bestimmten Randbedingungen günstiger ist (Rammerstorfer 2006).

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Rubisco – eine Fehlkonstruktion?
Tab. 2: Die drei biochemischen Untertypen der C4-Photosynthese gemäß den in den Kranzzellen tätigen Decarboxylierungs-Enzymen.

Bei Überlegungen über die Vor- und Nachteile der beiden Photosynthesewege hört man immer wieder das Argument, das für C3-Photosynthese stehende Enzym Rubisco sei eine Fehlkonstruktion, wodurch sich ein starker Selektionsdruck in Richtung der für C4-Photosynthese typischen, viel effektiveren PEP-Carboxylase ergebe (z.B. Sage & Monson 1999, Sage 2004, Kutschera 2006). Dieser sehr starke Selektionsdruck wiederum wird als hauptverantwortlich für die auffällig häufige konvergente Entstehung der C4-Photosynthese gesehen.

Diese Meinung wird allerdings von vielen Biologen nicht geteilt. So überschreiben z.B. Raven et al. (2000) einen Abschnitt in ihrem Lehrbuch mit den Worten: „Jeder Kohlenstoff-Fixierungsmechanismus hat seine Vorteile und Nachteile in der Natur.“ Da die Behauptung der Fehlkonstruktion jedoch in der öffentlichen Diskussion stark thematisiert wird, teilweise ganz offensichtlich auch als Argument gegen die „Intelligent Design-Idee“, soll an dieser Stelle darauf eingegangen werden.

Hintergrund der Argumentation sind die angeblichen, bereits genannten „Schwachstellen“ der Rubisco: 1. Sie setzt CO2 deutlich langsamer um als die PEP-Carboxylase und ist dadurch bei niedrigem CO2-Angebot deutlich unterlegen. 2. Sie bedingt wegen ihrer Doppelaffinität zu CO2 und O2 die Energie verbrauchende Photorespiration.

Die vielseitigen und komplexen Aufgaben des Enzyms Rubisco mit ihren verschiedenen Varianten (Isoformen) und genauen Angaben zu ihrer Kinetik können im Detail bei Tcherkez et al. (2006) nachgelesen werden. Übrigens ist Rubisco das häufigste Enzym auf unserem Planeten. Es macht 40% aller löslichen Blattproteine aus.

Die für die C4-Photosynthese notwendigen biochemischen und anatomischen Gegebenheiten sind uneinheitlich, zum Teil auch innerhalb von Familien.

So unterscheidet man z.B. allein drei biochemische Untertypen (Tab. 2), die jeweils nach den in den Kranzzellen tätigen Enzymen benannt sind, die dort für die Decarboxylierung, d.h. die Freisetzung des vorher fixierten Kohlendioxids zuständig sind.

  1. NADP-ME-Typ = NADP+-Malat-Enzym-Typ. Dies ist der Standardtyp mit Malat als Transportsubstanz von CO2 (siehe Abb. 1). Bei diesem Typ findet die Decarboxylierungs-Reaktion (= Freisetzung von CO2) – wie geschildert – in den Chloroplasten statt. Der zuvor bei der Überführung von Oxalacetat in Malat aufgenommene Wasserstoff wird in Form von NADPH2 für weitere Reaktionen zur Verfügung gestellt. Das zurückbleibende Pyruvat gelangt zurück in die Mesophyllzellen, wo es wieder zu PEP regeneriert wird. Dieser Typ findet sich bei vielen Ein- und Zweikeimblättrigen.
  2. Beim NAD-ME-Typ = NAD+-Malat-Enzym-Typ ist Aspartat die Ausgangssubstanz. Es entsteht im Mesophyll durch Transaminierung von Oxalacetat. Die Decarboxylierung findet in den Mitochondrien statt, und es wird NADH abgegeben. Durch gleichzeitige Abspaltung von Alanin entsteht Pyruvat, das dann ebenso wie Alanin wieder zurück ins Mesophyll transportiert wird. Dieser Typ wurde ebenfalls sowohl bei Einkeimblättrigen als auch bei Zweikeimblättrigen gefunden.
  3. Der PCK-Untertyp ist nach dem Enzym PEP-Carboxy-Kinase benannt. Er ist relativ selten und kommt nur bei einigen Gräsern vor. Wie beim vorigen Typ ist Aspartat das Ausgangsprodukt. Die Reaktion findet aber im Zytoplasma statt. Die PEP-Carboxykinase baut Aspartat unter ATP-Verbrauch und Abspaltung von CO2 und Alanin zu Phosphoenolpyruvat um, so dass im Mesophyll wieder ein reaktionsfähiger CO2-Akzeptor vorliegt.

Oft sind es größere systematische Einheiten, die durch einen der drei Typen charakterisiert sind. Es kommt aber auch nicht selten vor, dass sich verwandte Gattungen oder sogar Arten derselben Gattung in diesem Punkt unterscheiden.

Außer diesen drei sogenannten biochemischen Untertypen kennt man noch weitere Varianten der C4-Photosynthese:

  • Verschiedene Arten der Chenopodiaceae betreiben C4-Photosynthese, ohne anatomisch differenzierte Kranzzellen zu besitzen (Voznesenskaya et al. 2001).
  • Bei einigen Gräsern wird die Funktion der Kranzzellen von den äußeren Zellen des Leitbündels übernommen, den so genannten Mestomzellen.
  • Bei einigen Wasserpflanzen der Familie Hydrocharitaceae, z.B. der Wasserpest (Elodea; Abb. 7), finden die beiden Teilschritte der Photosynthese nicht in unterschiedlichen Zellen, sondern in unterschiedlichen Kompartimenten derselben Zelle statt (PEP-Carboxylase im Zytoplasma, Rubisco im Chloroplasten) (Reiskind et al. 1997, Casati et al. 2000). Man spricht hier von „Einzelzell-C4-Photosynthese“. Ähnliches wurde bei zwei an Land lebenden Gattungen der Chenopodiaceae gefunden (Kadereit et al. 2003).
  • Unterschiede gibt es auch innerhalb der Anatomie der Kranzzellen. Hier werden 15 (!) verschiedene Typen unterschieden. So sind z.B. die Chloroplasten meist frei von Grana (Abb. 5), können aber selten auch Grana ausbilden. Bei einigen Arten sind die Wände der Kranzzellen zur Verminderung der Rückdiffusion von CO2 suberinisiert (= mit Korkstoff imprägniert), bei anderen nicht.
Abb. 7: Die Dichte Wasserpest (Egeria densa = Elodea densa), ist eine untergetauchte Wasserpflanze wärmerer Gewässer. Sie ist selten auch in Deutschland eingebürgert. Anders als bei den meisten anderen C4-Pflanzen erfolgen bei den Wasserpest-Arten die beiden Teilschritte der C4-Photosynthese innerhalb derselben Zelle, aber in unterschiedlichen Teilen (Kompartimenten) der Zelle. Die Pflanze schaltet je nach Umweltbedingungen zwischen C3- und C4-Photosynthese um. Foto: VT Weed Identification Guide (www.ppws.vt.edu/scott/weed_id/eldde.htm), mit freundlicher Genehmigung.

Gegenargumente: Rubisco ist keine Fehlkonstruktion. Es gibt eine ganze Reihe von Argumenten gegen die Behauptung, die Rubisco und damit die C3-Photosynthese seien eine Fehlkonstruktion:

  1. Allgemein sollte man bei der Annahme von Fehlkonstruktionen in der Natur zurückhaltend sein. Denn biologische Systeme sind ebenso wie technische naturgemäß Kompromisslösungen, da sie mit sehr unterschiedlichen Außenbedingungen bzw. Nutzungsansprüchen zurechtkommen müssen. Wie ökonomisch ein System ist, hängt wesentlich davon ab, welche Anforderungen daran gestellt werden. Bezüglich der Rubisco schreiben Gutteridge & Pierce (2006): „Man mag sich über die Definition von Perfektion streiten, aber aus biologischer Sicht gesehen findet die Natur wahrscheinlich meist die „beste“ Lösung für eine bestimmte katalytische Notwendigkeit. Manchmal fällt einem die Perfektion darin nicht sofort auf.“
  2. Rubisco ist von allen Enzymen das einzige, das in der Lage ist, Kohlendioxid für den Aufbau von Kohlenhydraten zu nutzen. Auch die angeblich höher entwickelte PEP-Carboxylase bewältigt diese Aufgabe nicht und überlässt sie der geschmähten Rubisco. Entsprechend führen auch alle C4-Pflanzen Photosynthese mit der Rubisco durch.
  3. Wie oben ausführlich dargelegt, weisen C3-Pflanzen im gemäßigten Klima und auch unter bestimmten anderen Randbedingungen eine bessere Stoffbilanz auf als C4-Pflanzen.
  4. Weltweit nutzen etwa 90% aller Pflanzenarten C3-Photosynthese.
  5. Alle Bäume und Sträucher sind C3-Pflanzen.
  6. Die mit der Tätigkeit der Rubisco verbundene Photorespiration erfüllt – wie geschildert – mehrere wichtige Aufgaben.
  7. Wichtige C4-Nutzpflanzen wie Mais und Zuckerrohr sind – wie beschrieben – kälteempfindlich, so dass sie in weiten Teilen der Erde nicht angebaut werden können. Hier könnte man mit gleichem Recht davon sprechen, dass nicht bei der C3-, sondern bei der C4-Photosynthese eine Fehlkonstruktion vorliegt.
  8. Nach enzymkinetischen Untersuchungen kommen Tcherkez et al. (2006) zu der Schlussfolgerung, dass die Rubisco optimal gebaut ist und dass Änderungen, z.B. durch gentechnische Eingriffe keine nennenswerten Verbesserungen mit sich bringen würden. Dies ist zweifellos ein starkes Argument. Besagt es doch zugleich ausdrücklich, dass die intensiven Anstrengungen des Menschen, die Rubisco züchterisch zu verbessern, um höhere Ernteerträge zu erzielen, kaum Aussicht auf Erfolg haben werden.
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Genetische und entwicklungsbiologische Aspekte der C3-und der C4-Photosynthese

Die naheliegende Annahme, dass die C4-Photosynthese genetisch programmiert ist, konnte u.a. durch Kreuzungsexperimente zwischen C3- und C4-Arten innerhalb der Gattung Atriplex bestätigt werden. Hier ist die erste Tochtergeneration (F1) intermediär, stellt also einen Mischtyp zwischen C3- und C4-Photosynthese dar, während die nächste Generation (F2) sich wieder aufspaltet, wobei die einzelnen Merkmale des C4-Syndroms unabhängig vererbt werden. Beim Mais konnte gezeigt werden, dass durch unterschiedliche Mutationen auch unterschiedliche Teilschritte der C4-Photosynthese ausfallen (Cavalar 2005).

Um zu verstehen, welche Evolutionsschritte nötig sind, um von der C3-Photosynthese zur C4-Photosynthese zu gelangen, müssen wir uns mit den genetischen und entwicklungsbiologischen Aspekten dieser unterschiedlichen Wege beschäftigen. Dazu sollen zunächst die beteiligten Enzyme und danach die beteiligten Strukturen betrachtet werden.

Unterschiedliche Enzymaktivitäten. Es war in der Geschichte der Erforschung der C4-Photosynthese eine große Überraschung, als sich nach und nach herausstellte, dass letztlich sämtliche C4-typischen Enzyme auch bei C3-Pflanzen vorkommen, wenn auch teilweise in anderen Funktionszusammenhängen. Hierzu zählt z.B. auch das Schlüsselenzym der C4-Photosynthese, die Phosphoenolpyruvat-Carboxylase (PEP-Carboxylase). Sie kommt in geringer Menge (ca. 2-3%) auch in C3-Pflanzen vor, wo ihr verschiedene Aufgaben bei der Regulation des Stoffwechsels zukommen.

Abb. 8: Die Gattung Flaveria umfasst sowohl C3- als auch C4- und C3-C4-intermediäre Arten und ist eines der Standardobjekte für die vergleichende Analyse der entwicklungsbiologischen Grundlagen der C3- und C4-Photosynthese. Die abgebildete nordamerikanische Art Flaveria trinervia ist eine C4-Art. (Quelle: www.botany.cs.tamu.edu)

In der Regel liegen Enzyme, die in zwei oder mehr Organen bzw. Zellen oder Zellkompartimenten aktiv sind, in unterschiedlichen Isoformen vor. Diese unterscheiden sich in Struktur sowie – je nach Situation – in Menge, Substratspezifität, Umsatzgeschwindigkeit, Einsatzort, Einsatzzeitpunkt (Entwicklungsphase) und Regulierbarkeit. Daher war es naheliegend anzunehmen, dass dies auch bei der Alternative C3-/C4-Photosynthese der Fall sein würde. Und tatsächlich hat sich dies auch, soweit untersucht, immer wieder bestätigt. Die bisherigen Untersuchungen zeigen insgesamt, dass sich ein großer Teil der C4-spezifischen Enzymaktivitäten durch die Existenz von geringfügig abgewandelten Genkopien in Verbindung mit veränderten Promotern erklären lässt. Dazu einige ausgewählte Beispiele und Befunde:

  1. Von der Rubisco gibt es sehr zahlreiche Varianten und Isoenzyme (Tcherkez et al. 2006). So setzen z.B. Formen mit höherer Affinität zu CO2 und damit geringerer Photorespiration das CO2 langsamer um. Bei C4-Pflanzen wird im Mesophyll die Aktivität der Rubisco unterdrückt.
    An mehreren Beispielen konnte gezeigt werden, dass der Einsatzort der Photosynthese-Enzyme genetisch festgelegt ist. Die zugehörigen Gene unterscheiden sich gewöhnlich in ihren Promotern, zum Teil auch in ihrer Struktur.
  2. Bei Moricandia arvensis (C3-C4) ist aufgrund eines Gendefekts die Funktion der Glycindecarboxylase im Mesophyll blockiert, aber in den Kranzzellen aktiv. Das hat eine CO2-Anreicherung in den Kranzzellen zur Folge.
  3. Von der PEP-Carboxylase wurden in einigen untersuchten Fällen in unterschiedlichen Geweben auch unterschiedliche Isoenzyme nachgewiesen. Ihre Produktion wird durch jeweils unterschiedliche Auslöser kontrolliert.
  4. Bei Flaveria (Abb. 8; Lipka et al. 1994, Bläsing et al. 2000, Sage 2004, Westhoff 2007) gibt es drei Ausfertigungen des PEP-Carboxylase-Gens mit jeweils unterschiedlichen Promotern und leicht veränderten Strukturen, von denen eine C4-spezifisch ist. Offenbar ist es der Feinbau dieses Promoters, der für die Konzentrierung der PEP-Carboxylase-Aktivität im Mesophyll verantwortlich ist. Dies macht einen wichtigen Schritt in Richtung C4-Photosynthese aus.
    Alle C4-Pflanzen der Gattung Flaveria weisen in Position 774 des Enzyms die Aminosäure Serin auf, die in dieser Position offensichtlich eine Schlüsselrolle in der C4-Spezifität einnimmt. Besonders aufschlussreich war die Entdeckung, dass bei C3-Arten C4-spezifische Gene in nicht aktiviertem Zustand gefunden wurden. C3-C4-intermediäre Arten der Gattung zeichnen sich dadurch aus, dass nur ein Teil der C4-Gene eingeschaltet ist.
  5. Mais als C4-Pflanze produziert Rubisco nur in Kranzzellen, Reis als C3-Pflanze hingegen in beiden Zelltypen. Es ist gelungen, die C4-typischen Gene vom Mais in das Reis-Genom einzubauen und dadurch eine um bis zu 35% höhere Nettophotosynthese zu erzielen.
  6. Arten mit induzierbarer C4-Photosynthese (z.B. Eleocharis vivipara) bzw. solcher im Jugendstadium (z.B. Mais) demonstrieren, dass mindestens in diesen Pflanzen beide Photosynthesewege angelegt sind.

Strukturunterschiede. Die Unterschiede im Gewebeaufbau zwischen C3- und C4-Pflanzen sind auf den ersten Blick offensichtlicher als die enzymatischen. Denken wir etwa im Hinblick auf die Kranzzellen an die Anzahl und Anordnung der Chloroplasten und Mitochondrien, die Unterdrückung der Grana in den Chloroplasten, die meist große Vakuole oder den Einbau von Suberin als Sperrschicht in die zentrifugalen Zellwände.

Ohne Zweifel müssen diesen strukturellen Unterschieden genetische Unterschiede zugrunde liegen. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse zur Frage der Regulation des Stoffwechsels der beiden Photosynthesewege darf man aber wohl davon ausgehen, dass die Strukturfrage nicht grundsätzlich anders zu beurteilen ist als die enzymatische Frage. Da die notwendigen Bausteine, die die geweblichen Unterschiede zwischen C3- und C4-Pflanzen ausmachen, auch in C3-Pflanzen gebraucht werden, ist anzunehmen, dass die für die Syntheseschritte notwendigen Gene grundsätzlich vorhanden sind. Die unterschiedlichen Einsatzorte und Mengen der Genprodukte sowie die unterschiedlichen Anzahlen der Organellen ließen sich vermutlich auch hier wieder durch entsprechende Regulationsprozesse erklären.

So ist es wahrscheinlich ein Bündel von relativ kleinen genetischen Änderungen und Regulationen, das den augenscheinlich großen Unterschied zwischen C3- und C4-Photosynthese ausmacht. So schreibt z.B. Sage (2004) über die Entstehung des C4-Weges: „Weil er vorhandene Biochemie nutzt, ist das evolutionäre Tal, das durchschritten werden muss, um eine C4-Pflanze zu erhalten, relativ flach. Es könnte durch eine mäßige Zahl von kleineren Stufen überbrückt werden.“

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Evolution der C4-Photosynthese

Mag man nun die zu überbrückenden Unterschiede zwischen der C3- und der C4-Photosynthese als niedrig oder als hoch einstufen, es sind auf jeden Fall zahlreiche gezielte und koordinierte Veränderungen an den Genen ebenso wie an ihren regulatorischen Abschnitten notwendig, und es muss natürlich auch die Information für die Gesamtregulation der beteiligten Teilprozesse an irgendeiner Stelle festgelegt sein.

Im Folgenden sollen zwei Erklärungsmodelle zur Evolution der C4-Photosynthese diskutiert werden, und es ist dem Leser vorbehalten, sich aufgrund der genannten Argumente seine eigene Meinung zu bilden. Es wird nicht zu übersehen sein, dass der Verfasser dieses Artikels Modell 1 deutlich favorisiert.

Die Darstellung hat vorläufigen Charakter, da es noch erheblichen Forschungsbedarf gibt. Es ist aber ein großer Vorteil, dass – entgegen der Situation bei vielen anderen Ursprungsfragen – die Thesen experimentell überprüfbar sind. So ist zu hoffen, dass neuere Untersuchungen vielleicht schon sehr bald zu einer Klärung der Frage beitragen. Dies dürfte dann über die spezielle Frage der Photosynthese hinaus Auswirkungen zeigen.

Modell 1: Die Anlage zur Ausprägung der C4-Photosynthese ist im Erbgut der Blütenpflanzen weit verbreitet. Die Gesamtheit der genannten Befunde lässt sich gut durch die Annahme erklären, dass der gesamte C4-Komplex im Genom der C3-Vorfahren bereits latent vorhanden war, um im Bedarfsfall aktiviert zu werden.

Diese Sicht teilt z.B. auch von Sengbusch (2003), wenn er schreibt: „Da bei den höheren Pflanzen mit der Alternative C3 oder C4 beträchtliche anatomische Veränderungen der Blätter verbunden sind, muß man davon ausgehen, daß das genetische Potential zur Realisierung beider Wege im Pflanzenreich verbreitet ist und daß in Abhängigkeit von ökologischen Ansprüchen bei einer Art der eine, bei einer verwandten der andere Weg eingeschlagen wird.“

Kimball (2004) äußert sich in derselben Richtung: „Die Möglichkeit, den C4-Pfad zu verwenden, evolvierte mehrfach in verschiedenen Familien der Bedecktsamer. Möglicherweise tragen alle das Potential dazu in sich.“

Auch Kutschera & Niklas (2007) beschreiben für die Arten der Gattung Flaveria die Situation ähnlich: „Die Daten und die detaillierte Analyse ... zeigen, dass die C3-Photosynthese der ursprüngliche Zustand ist, und eine verborgene genetische Veranlagung zur Evolution der C4-Photosynthese in der Gattung Flaveria existiert.“ Allerdings kommen letztere Autoren in ihrem Artikel zu einer anderen Schlussfolgerung, als es hier der Fall ist.

Die Annahme der latenten Verbreitung genetischer Systeme wie dem des C4-Komplexes erhält zur Zeit indirekt starke Unterstützung durch Ergebnisse aus verschiedenen Genomprojekten. Wiederholt wurde nämlich festgestellt, dass die untersuchten Genome weit mehr an genetischer Information tragen, als von den zugehörigen Organismen aktuell realisiert wird. So sind z.B. beim Seeigel Strongylocentrotus purpuratus mehr als 3% des Genoms für die Photorezeption zuständig, obwohl Seeigel gar keine Lichtsinnesorgane besitzen und nur begrenzt auf Licht reagieren (Raible et al. 2006). Eindrucksvolles Beispiel für latente Gene stellt auch die zu den Hohltieren (Stamm Cnidaria = Nesseltiere) gehörende Seeanemonen-Art Nematostella vectensis dar (Putnam et al. 2007, Pennisi 2007). Hier entspricht ein großer Teil der Gene überraschend gut denen der Wirbeltiere einschließlich des Menschen, besser als denen von Fliegen und Würmern, selbst was die komplexe Verteilung der Exons und Introns sowie die Kopplung der Gene betrifft. Seeanemonen besitzen offenbar zahlreiche Gene, die beim Menschen u.a. im Zusammenhang mit der Funktion von Muskeln und Nerven usw. gebraucht werden.

Abb. 9: Verschiedene Blattformen des Wasser-Hahnenfußes (Ranunculus aquatilis) als Beispiel für latente Potenzen, die je nach Beschaffenheit der Umgebung abgerufen werden. Im Wasser sind die Blätter zerschlitzt, an der Luft gelappt und an der Wasseroberfläche intermediär ausgeprägt. (Aus Otto Wilhelm Thomé, Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz 1885. Gera. Public Domain)

Dass Organismen einen bestimmten Vorrat an Genen haben, den sie im Augenblick nicht benötigen, ist durchaus sinnvoll.1 Bekanntes Beispiel ist der Wasser-Hahnenfuß (Abb. 9). Hier bildet die Pflanze unter Wasser völlig andere Blätter aus als auf der Wasseroberfläche und in der Luft.

Einige Beispiele aus dem Bereich der Blütenpflanzen sollen diesen Gedanken untermauern:

  • Viele Pflanzen können fakultativ Standorte besiedeln, in denen sie normalerweise nicht leben. So reagieren z.B. einige Pflanzen auf Salzstress durch die Ausbildung von Sukkulenz. Andere können sowohl an Land als auch unter Wasser leben. Die Gene für die zugehörigen anatomischen und biochemischen Anpassungen sind offenbar jeweils vorhanden.
  • Innerhalb von Gattungen findet man nicht selten sowohl krautige als auch holzige Vertreter mit ihren sehr unterschiedlichen genetischen Ausrüstungen, und zwar breit gestreut über das System der Zweikeimblättrigen Blütenpflanzen. Ihr Nebeneinander lässt sich wesentlich leichter durch die Existenz latent vorhandener Genkomplexe erklären als durch jeweils unabhängiges Entstehen.
  • Bei den Hülsenfrüchtlern gibt es ohne Beziehung zur systematischen Unterteilung Arten, die zur Stickstoff-Fixierung an den Wurzeln Knöllchen ausbilden, und solche, bei denen Knöllchen fehlen (de Faria et al. 1989).
  • In der Ordnung der Caryophyllales (Nelkenartige) stimmt die Verteilung der Pigmentgruppe der Betalaine nicht mit der Einteilung in Familien überein.
  • Gallwespen können in Blättern von Pflanzen die Bildung von Organen, sogenannten Gallen induzieren, die so bei keiner Pflanze beobachtet werden. Trotzdem muss die Möglichkeit zur Gallbildung im Erbgut der Pflanzen verborgen vorhanden sein.
  • In artenreichen Gattungen findet man sehr oft Arten, die an Trockenheit angepasst sind, ebenso wie solche, die an hohe Luftfeuchtigkeit oder an das Überleben im Hochgebirge usw. angepasst sind.
  • Größere Bäume zeigen sogar am gleichen Individuum ganz unterschiedliche Anpassungsstrategien, indem z.B. die sonnenexponierten Blätter an Trockenheit, die lichtabgewandten Blätter an hohe Luftfeuchtigkeit angepasst sind.

Aufgrund der genannten Beispiele sei folgende Hypothese aufgestellt: Pflanzen können deshalb relativ schnell auf kurzfristige oder langfristige Umweltänderungen reagieren, weil sie innerhalb bestimmter Grenzen die genetische Ausrüstung dazu besitzen.

Die Alternative C3- und/oder C4-Photosynthese ließe sich hier sehr gut einreihen.

Die Hypothese könnte im Rahmen weiterer Genomanalysen bestätigt, modifiziert oder widerlegt werden. Interessant wäre z.B. zu klären, wie weit verbreitet die Anlage zur C4-Photosynthese ist, und welche genetischen Gegebenheiten dem Verteilungsmuster der biochemischen und anatomischen Untertypen der C4- (und CAM-)Photosynthese zugrunde liegen. Eine weitere Frage wäre die, ob die Gene exakt so vorliegen, wie sie später abgelesen werden, oder ob es übergeordnete Regulationssysteme gibt, die später die endgültige Struktur bestimmen.2

Hinweise darauf, dass die gesamte Information für den C4-Zusatzweg in den betreffenden Verwandtschaftskreisen von vornherein vollständig vorhanden war und nicht schrittweise neu gebildet werden musste, ergeben sich aus folgenden Beobachtungen:

  1. Soweit C3- und C4-Arten nahe verwandt sind, liefern diese im Allgemeinen durch Hybridisierung lebensfähige Nachkommen. Das heißt doch, dass beide Systeme so bewahrt wurden, dass sie nebeneinander existieren können (Brown & Bouton 1993).
  2. Dasselbe gilt besonders auch für all die Fälle, wo ein- und dieselbe Pflanze je nach Umwelt zwischen C4 und C3 oder zwischen CAM und C3 umschalten kann.
  3. Echte C3-C4-Intermediäre sind im Vergleich zu den reinen Typen äußerst selten. Genau das ist aber zu erwarten, wenn die Pflanzen auf vorhandene Komplettstrukturen zurückgreifen können. Der in der Literatur gelegentlich zu findende Begriff „Zwischenstufen“ für Arten, die Aspekte beider Photosynthesewege in streng koordinierter Weise realisieren, hat keine besondere Aussagekraft, weil er lediglich eine Interpretation darstellt. Wie es zu dem Phänomen gekommen ist, dass einige Arten weder den einen, noch den anderen Weg der Photosynthese vollständig nutzen, ist derzeit noch ungeklärt. Bemerkenswerterweise sind es meist Gattungen, in denen auch reine C4- und reine C3-Arten vorkommen. Man könnte spekulieren, dass es sich bei den Mischformen wenigstens zum Teil um durch Hybridisierung entstandene Arten handelt. Da über C3-C4-Intermediäre im Augenblick viel gearbeitet wird, ist zu erwarten, dass es zu der Frage in absehbarer Zeit weitere Klärung gibt.

Modell 2: C4-Photosynthese ist durch unabhängige, konvergente Neubildung entstanden. Die Mehrzahl der Autoren ist der Auffassung, dass C4-Photosynthese und CAM-Photosynthese in all den zahlreichen Fällen unabhängig voneinander durch Neubildung entstanden sind.

Unter dem Eindruck, dass kleine Änderungen im Regulationsbereich große Wirkungen zeigen können (siehe oben), bezeichnen einige Autoren die Neubildung als eine relativ niedrige evolutive Hürde (z.B. Westhoff 2007, Sage 2004). Dies würde hinreichend erklären, weshalb die an sich extrem unwahrscheinliche Situation einer vielfachen konvergenten Evolution zustande kommen konnte. Wenn man allerdings bedenkt, welche Evolutionsschritte letztendlich doch alle notwendig sind, relativiert sich die Annahme einer leichten Hürde. Sage (2004) schlägt – weitgehend aufgrund von Beobachtungen an C3-C4-intermediären Arten – einen hypothetischen 7-Stufen-Plan für die C4-Evolution vor.

Phase 1: Allgemeine Vorbereitung. Hierzu rechnet man vor allem die vermutete Fähigkeit zur Genverdopplung als Basis für weitere Schritte.

Phase 2: Anatomische Vorbereitung mit dem Ziel, zur effektiven Anreicherung von CO2 die Abstände zwischen Mesophyll und Kranzzellen gering zu halten, z.B. durch Vergrößerung der letzteren.

Phase 3. Erhöhung der Zahl der Organellen in der Leitbündelscheide.

Phase 4: Verlagerung der Glycindecarboxylase ins Blattinnere, wodurch dort zusätzliches CO2 zur Verfügung gestellt wird.

Phase 5: Steigerung der Aktivität der PEP-Carboxylase und der damit assoziierten Enzyme im Mesophyll.

Phase 6: Integration des C3- und des C4-Zyklus, z.B. zur Beseitigung der äußerst nachteiligen Konkurrenz zwischen den Schlüsselenzymen Rubisco und PEP-Carboxylase.

Phase 7: Optimierung und Gesamtkoordination. Zum einen benötigen die beteiligten Enzyme im veränderten Funktionszusammenhang neue kinetische Eigenschaften und neue Regulationsmuster. Zum anderen muss für eine reibungslose Koordination der neuen und der alten Stoffwechselwege gesorgt sein.

Die Auflistung macht deutlich, dass die evolutiven Unterschiede zwischen C3- und C4-Photosynthese umfangreicher sind als man zunächst denken könnte. Demgemäß sprechen einige Autoren (z.B. Sage 2004, Kutschera 2002, 2006, Kutschera & Niklas 2007) folgerichtig von Makroevolution. Allerdings hat der Begriff nur dann Gültigkeit, wenn man eine wiederholte und unabhängige Neuentstehung der C4-Photosynthese voraussetzt. Sollte sich im Sinne von Modell 1 herausstellen, dass es sich hier um längst vorhandene Genkomplexe handelt, die nur angeschaltet und evtl. modifiziert werden mussten, hätten wir es mit einem mikroevolutiven Prozess zu tun.

Entscheidender als der richtige Begriff ist die Frage, wie die Entstehung neuer Baupläne realisiert wurde. Junker & Scherer (2006) zeigen grundsätzlich auf, wie unwahrscheinlich die koordinierte Entstehung neuer Programme ist, und weisen darauf hin, dass es bisher auch keine experimentellen Beweise für solche Mechanismen gibt.

Bekanntlich sind für die Neubildung von Systemen zwei Faktoren wichtig: Mutation und Selektion:

1. Mutation: Dawkins (1996) hat die Situation, mit der wir es zu tun haben, sehr gut erfasst und vortrefflich formuliert, obwohl er selber andere Schlüsse daraus zieht: „Natürliche Selektion ist der blinde Uhrmacher; blind, weil sie weder vorausschaut, noch ihre Konsequenzen plant und auch kein Ziel kennt.“ Es müssten sich also für jeden Teilschritt unabhängig voneinander gleichzeitig eine Reihe von Mutationen aufaddieren. Keine Mutation könnte dabei auf dem aufbauen, was durch eine andere Mutation in der richtigen Richtung bereits erreicht wurde, denn ungerichtete Mutationen kennen definitionsgemäß kein Ziel und können nicht aufeinander aufbauen, solange keine funktionalen Zwischenstufen erreicht werden, an denen Selektion positiv wirken kann. Und selbst wenn sich schließlich mehrere Genkomplexe auf diese Weise etablieren konnten, bleibt immer noch die Frage offen, woher die Information stammt, diese Komplexe in ihrer Gesamtheit zu regulieren.

Dass gewisse Zwischenformen zwischen C3- und C4-Photosynthese lebensfähig sein können, erleichtert zwar die Situation z.B. im Vergleich zur Entstehung der biochemischen Sehfunktion mit ihrer unvergleichlich höheren Komplexität (Ullrich et al. 2006), löst aber das Problem nicht grundsätzlich.

Diese Argumente beziehen sich auf die einmalige Entstehung des komplexen C4-Syndroms. Nun ist aber von einer mindestens 45-fachen unabhängigen Entstehung die Rede, teils in sehr unterschiedlichen Verwandtschaften, teils mehrfach unabhängig in derselben Familie. Da scheint doch die Annahme der Aktivierung längst vorhandener Genkomplexe im Sinne von Modell 1 deutlich weniger problembeladen.

2. Selektion. Im Zusammenhang mit der Evolution der C4-Pflanzen wird gerne argumentiert, es bestünde ein gewaltiger Selektionsdruck in Richtung C4. Dieser beruhe auf der Ineffizienz der C3-Photosynthese, die bei der Entstehung der Photosynthese vor etwa 3 Milliarden Jahren in einer praktisch O2-freien Umgebung unerheblich war, aber dadurch in Erscheinung trat, dass durch die Photosynthese-Aktivität der Pflanzen zunehmend O2 in der Atmosphäre angereichert wurde. Solche Annahmen, die von einigen Autoren wie eine Tatsache dargestellt werden, von anderen aber skeptisch betrachtet werden, sind allerdings direkten Belegen kaum zugänglich. Folgerichtig bezeichnen z.B. Campbell & Reece (2006) in ihrem bekannten Lehrbuch die genannte Idee als „sehr spekulative Hypothese“. Im Übrigen wurde oben unter den Stichworten „Photorespiration“ und „Rubisco als Fehlkonstruktion?“ ausführlich dargelegt, dass ein Selektionsvorteil für C4-Photosynthese ohnehin nur unter speziellen Umweltbedingungen vorliegt.

Und selbst unter der Annahme eines Selektionsdrucks ist zu beachten, dass ein solcher niemals Baupläne hervorbringt, sondern allenfalls zwischen einem Angebot an Bauplänen auswählt. Junker & Rammerstorfer (2006) schreiben dazu: „Nehmen wir an, die Pflanze wäre einem Selektionsdruck ausgesetzt gewesen, der die Veränderung des C3-Systems in ein C4-System gefördert hätte. Welcher Selektionsdruck hat zur gleichen Zeit, in der C4-Systeme im Vorteil waren, einen Regelkreis begünstigt, der über die Exprimierung der jeweiligen Syndrome entscheidet? Klar ist, dass das zum selben Zeitpunkt erfolgen musste, da ansonsten das C3-Syndrom durch seine Umwandlung in ein C4-Syndrom verloren gegangen wäre. ... Unter C4-Begünstigung wäre es nicht unmittelbar vorteilhaft gewesen, das C3-Syndrom ‚in petto’ zu halten und einen Mechanismus zu seiner zweckmäßigen Aktivierung zu evolvieren.“

Wenn man von einem gewaltigen Selektionsvorteil der C4-Photosynthese ausgeht, ist es problematisch zu verstehen, wieso gelegentlich in C4-Verwandtschaften (Salsola, Eragrostis) wieder C3-Pflanzen auftreten, also sogenannte Reversionen (Sage & Monson 1999). Was veranlasst eine optimal angepasste C4-Pflanze wieder zur C3-Photosynthese zurückzukehren, und wie soll man sich vorstellen, dass all die erworbenen Veränderungen in Bau und Regulation wieder zurückgenommen werden? Letzteres Problem könnte man durch die Annahme auflösen, dass die C3-Gene mitsamt ihrer Regulation konserviert wurden. Dann aber wären wir genau wieder bei Modell 1 angelangt.

Anmerkung

1 Am Rande sei vermerkt, dass sich auch die moderne Computertechnik in Teilaspekten des Prinzips der latenten Information bedient. So enthalten z. B. die gängigen Softwarepakete in großem Umfang Informationen, die gewöhnlich nicht gebraucht werden, aber in seltenen Fällen doch abgerufen werden, wie z. B. im Schreibprogramm mit deutscher Sprache die Silbentrennung für Italienisch.

2 Auch hierfür gäbe es einen Vergleich uur Computerwelt: Um Speicherplatz zu sparen, werden verschiedentlich komprimierte Dateien verwendet. Damit die Information gelesen werden kann, müssen diese Dateien wieder „entpackt“ werden. Hierzu ist ein spezielles Programm nötig, das die Entkomprimierung durchführt.

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Schlussbemerkung: C4-Photosynthese – Zufall oder Plan?

In der Schöpfungsforschung nach Junker & Scherer (2006; Kap. VII) geht es darum, ob naturwissenschaftliche Fakten mit der Grundannahme eines schöpferischen Plans (intelligent design) in Einklang zu bringen sind. Modell 1 würde in diesen Rahmen gut hineinpassen, weil es eine vorsorgende Planung erkennen lässt und ohne eine Überstrapazierung des Zufalls auskommt. Es ist auch gut mit der Vorstellung vereinbar, dass einzelne geschaffene Einheiten (Grundtypen) von vornherein mit einer Vielfalt an Möglichkeiten ausgestattet sind (Prinzip der genetischen Polyvalenz), vgl. hierzu im Hinblick auf C4-Photosynthese auch Wood (2003).

Modell 1 ist aber auch evolutionstheoretisch akzeptabel, da es zwar mit anderen Gegebenheiten konfrontiert als „man bisher angenommen hat“, sich aber im Rahmen des Evolutionsmodells bewegt. Es bleibt dann nur die Frage unbeantwortet, woher die entsprechenden Baupläne der „konservierten, alten“ Gene stammen. Da das Thema einer experimentellen Prüfung zugänglich ist, und auch intensiv daran gearbeitet wird, darf man wohl bald mit einer Entscheidung rechnen. Spätestens dann wäre auch geklärt, ob die Entstehung der C4-Photosynthese weiterhin als Musterbeispiel für Makroevolution angesehen werden kann.

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Danksagung

Sehr wertvolle Hinweise verdanke ich dem Internetbeitrag von Markus Rammerstorfer (2006): C3/C4 Photosynthese – Ein Argument gegen Intelligent Design?

Für die kritische Durchsicht des Manuskriptes und zahlreiche Anregungen danke ich Dr. Judith Fehrer, Dr. Reinhard Junker, Dr. Niko Winkler und Prof. Dr. Siegfried Scherer.

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Studium Integrale Journal 15. Jg. Heft 1 - April 2008