Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 5. Jg. Heft 1 - April 1998


Streiflichter

Studium Integrale Journal
5. Jahrgang / Heft 1 - April 1998
Seite 40 - 44


Inhalt:


Eine Gefahr, die gestreßte Manager bedroht, kann Reptilien relativ kalt lassen. Durch ihre scheinbar "primitive" Konstruktion des Herzens werden sie nämlich kaum einen Herzinfarkt erleiden. Während bei Säugetieren und Vögeln das Herz vollständig durch eine Scheidewand getrennt ist, wodurch aus dem Körper kommendes sauerstoffarmes Blut und aus der Lunge kommendes sauerstoffreiches Blut getrennt wird, sind bei Reptilien die beiden Herzkammern nur teilweise getrennt. Dies führt zu einer Mischung des Blutes. Diese Konstruktion wird im Rahmen evolutionstheoretischer Argumentation vielfach als "unvollkommen" charakterisiert. In Wirklichkeit aber ist die einfachere Konstruktion des Herzens bei Reptilien durchaus sinnvoll. Bei Reptilien entspricht nämlich die Konstruktion und die Leistungsfähigkeit des Herzens (ohne vollständige Scheidewand, Abgang von drei Hauptgefäßen) optimal den funktionellen Erfordernissen dieser wechselwarmen und relativ inaktiven Tiere. Im Vergleich zu den Säugetieren, die einen vielfach höheren Sauerstoff- und Energiebedarf aufweisen, ist die Versorgung des schwächer ausgebildeten Herzmuskels der Reptilien mit Sauerstoff nicht wie bei den Säugetieren und Vögeln über Herzkranzgefäße erforderlich. Der Sauerstoffgehalt des Mischblutes, der aufgrund der offenen Verbindung zwischen den Kammern im gesamten Herz nahezu konstant ist, genügt, um über Diffusion das Muskelgewebe ausreichend zu versorgen. Der Vorteil dieser Konstruktion besteht nun eben darin, daß die Gefahr eines Herzinfarkts nahezu ausgeschlossen ist. Die biologische Realität der Einheit von Bau und Funktion widerspricht dem Argument, das Herz der Reptilien sei primitiver gegenüber dem der Säugetiere.

Das Beispiel zeigt einmal mehr die Problematik, aus einer mutmaßlichen Unvollkommenheit von Organen irgendwelche Schlußfolgerungen zu ziehen. Man kann durchaus die Erwartung formulieren, daß in dem Maße, wie Funktionskenntnisse über Organe erweitert werden, Aussagen über "Primitivität" oder "Unvollkommenheit" von Organen fragwürdig oder gar unhaltbar werden - abgesehen davon, daß diese Kennzeichnungen gewöhnlich nicht näher definiert werden und kaum objektiv faßbar sind. [Brainerd E (1997) Efficient fish not faint-hearted. Nature 389, 229]

RJ        



In vielen geschichtlichen Darstellungen werden Gregor Mendels Studien zur Vererbung in keinem engeren Zusammenhang mit Darwins Evolutionstheorie gesehen, obwohl seine Arbeiten zu einer Zeit publiziert wurden, als die Abstammungslehre intensiv diskutiert wurde. Eine sorgfältige Analyse der Arbeit Mendels über Versuche mit Erbsen (Pisum), die 1866 publiziert wurde, sowie der Begleitumstände, unter denen sie entstand, zeigt, daß sie entgegen verbreiteter Auffassung nicht nur antievolutionistisch ausgerichtet war, sondern gegen Darwins Entstehung der Arten (1859 erschienen) geschrieben wurde. Zu diesem Ergebnis kommt B. E. Bishop in einem Beitrag über Mendels Veröffentlichung über Pisum. Darwins Vorstellungen waren Mendel vertraut. Es sei, so Bishop, unglaubwürdig, daß ein Priester eine Theorie offen befürworte, deren Veröffentlichung Darwin wegen ihrer häretischen religiösen und politischen Implikationen lange hinausgezögert hatte. In einer früheren Analyse hatte Callender (1988) bereits festgestellt, daß keiner der zahlreichen Wissenschaftler, die Mendel in Übereinstimmung mit der Abstammungslehre Darwins sahen, in Mendels Vererbungstheorien einen Evolutionsmechanismus entdeckten. [Bishop BE (1996) Mendel's opposition to evolution and to Darwin. J. Hered. 87, 205-213; Callender LA (1988) Gregor Mendel: an opponent of descent with modification. History of Science 26, 41-75]

RJ        



Nach der bis zum heutigen Tag kontrovers diskutierten Theorie des Punktualismus (punctuated equilibrium, unterbrochenes Gleichgewicht) sollen sich in der Erdgeschichte gelegentliche kurzfristige, explosive Evolutionsphasen mit langen Zeiträumen abwechseln, in denen nur geringfügige Änderungen von Organismen eintreten. Einige Paläontologen dehnen dieses Konzept auf ganze Lebensgemeinschaften aus und glauben, Belege für ein koordiniertes Stehenbleiben ("coordinated stasis") ganzer Ökosysteme mariner Tiere über viele Millionen Jahre nachweisen zu können. Als Grund für diese "Evolutionsträgheit" wird eine enge ökologische Verflechtung dieser Lebensgemeinschaften vermutet, die keinen Raum für Veränderungen zugelassen haben solle. Wie der klassische Punktualismus ist auch die ökologische Version des "punctuated equilibrium at a higher level" (D. Erwin) umstritten. Auswertungen fossiler Lebensgemeinschaften ergeben nämlich keine einheitlichen Resultate. [Kerr RA (1997) Does evolutionary history take million-year breaks? Science 278, 576-577; Hinweis: Ivany LC & Schopf KM (eds, 1996) New perspectives on faunal stability in the fossil record. Palaeogeography, Paleoclimatology, Palaeoecology 127, 1-359]

RJ        



Abb. 1: Das Prinzip einer Robertsonschen Translokation. Bei einem akrozentrischen Chromosom befindet sich das Centromer, also die Einschnürung des Chromosoms, an der die Spindelfasern bei der Kernteilung ansetzen, am Ende des Chromosoms. Bei metazentrischen Chromosomen befindet sich das Centromer irgendwo in der Mitte. Durch die Robertsonsche Translokation verschmelzen zwei akrozentrische Chromosomen zu einem metazentrischen.
Abb. 1

1916 beschrieb W. R. B. Robertson erstmals eine Chromosomenmutation, die sich als sehr bedeutsam für Artbildungsprozesse herausstellen sollte. Durch diese Mutation verschmelzen zwei akrozentrische Chromosomen zu einem metazentrischen (vgl. Abb. 1). Es handelt sich also um eine spezielle Translokation (Übertragung eines Chromosomenabschnitts - hier fast eines ganzen Chromosoms - auf ein nicht-homologes Chromosom), die nach ihrem Entdecker Robertsonsche Translokation genannt wird und häufig vorkommt. (Einen Überblick über Robertsonsche Translokationen geben Wolf & Winking 1996.) Die Folge einer Robertsonschen Translokation sind Störungen bei der Meiose, die zu Unfruchtbarkeit bei Hybridisierung von Rassen mit verschiedenen Translokationen führen können. Auf diese Weise können Artbarrieren auftreten und damit neue Arten entstehen.

Bei Mäusen ist das häufige Vorkommen von Robertsonschen Translokationen schon länger bekannt. In Europa sind Mäuse mit dem Standard-Karyotyp (2n = 40, nur telozentrische Chromosomen) unregelmäßig verbreitet und mit über 40 anderen Populationen vermischt, die aufgrund Robertsonscher Translokationen eine geringere Anzahl von Chromosomen besitzen. Insgesamt sind von 171 möglichen 124 Robertsonsche Translokationen bekannt, die meisten in Norditalien. Silvia Garagna und Mitarbeiter haben Mauspopulationen im Gebiet um Seveso studiert, wo aufgrund von Umweltschädigungen enorme Erdbewegungen und Landschaftsveränderungen vorgenommen wurden. Sie entdeckten Rassen mit neuen Robertsonschen Translokationen, die am einfachsten durch reziproke Austausche ganzer Chromosomenarme erklärt werden können. Diese Austausche haben sich sehr wahrscheinlich innerhalb von 20 Jahren (seit Beginn der Umweltänderungen) etabliert. Einen solch kurzen Zeitraum für die stabile Bildung neuer Rassen bzw. Arten hatte man vorher nicht für möglich gehalten, stellen Garagna et al. (1997) fest. Dies gilt insbesondere für Säugetiere. [Garagna S, Zucotti M, Redi CA & Capanna E (1997) Trapping speciation. Nature 390, 241-242; Wolf KW & Winking H (1996) Die Robertson'sche Translokation. Biol. in uns. Zeit 26, 116-124.]

RJ        



Das Leben in der Arktis und der Antarktis muß besonders winterfest sein. Die Fische müssen dort Temperaturen bis -1,9ºC überstehen. Weshalb erfrieren sie nicht? Verhindert wird dies durch spezielle "Antifrost"-Blutserum-Glykoproteine (AFGPs), welche die Bildung von Eiskristallen verhindern und den Gefrierpunkt der Fische unter die Wassertemperatur senken. Sehr ähnliche AFGPs wurden bei Fischen sowohl der Arktis als auch der Antarktis am anderen Ende der Erde gefunden. Die Biologen staunten aber nicht schlecht, als sich herausstellte, daß vollständig verschiedene genetische Grundlagen für die AFGPs gegeben sind. Evolutionstheoretisch müssen grundverschiedene Entwicklungswege angenommen werden. Dies wird dadurch unterstrichen, daß auch aufgrund morphologischer und paläoklimatischer Daten eine unabhängige Entstehung der untersuchten Fischgruppen angenommen werden muß. Konvergente Evolution zu einem nahezu identischen Antifrost-Molekül? Für den Nature Kommentator A. Mitchell "in der Tat eine frostige Geschichte". [Mitchell A (1997) A chilling tale from the ends of the earth. Nature 387, 125; Chen L, De Vries AL & Cheng CHC (1997) Evolution of antifreeze glycoprotein gene from a trypsinogen gene in Antarctic notothenioid fish. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 94, 3811-3816.]

RJ        



Sind marine Mosasauriden unter den Echsen die nächsten Verwandten der Schlangen? Hinweise dafür glauben die Paläontologen M. W. Cadwell von der Universität von Alberta und M. S. Y. Lee von der Universität von Sydney gefunden zu haben. Sie beschreiben zwei Fossilien aus einem marinen kreidezeitlichen Aufschluß in Israel, 20 Kilometer nördlich von Jerusalem. Bei ihrer Erstentdeckung vor 20 Jahren waren die Fossilien (Pachyrhachis problematicus) als ausgestorbene Eidechsen identifiziert worden. Cadwell und Lee sind sich aber sicher, daß es sich bei Pachyrhachis um eine Schlange handelt. Dafür spricht der schlanke, langgestreckte Körper, v.a. aber auch der Schädel, der völlig dem moderner Schlangen entspricht. Andererseits verfügt diese Gattung über ein gut ausgebildetes Becken und über Hinterextremitäten (Oberschenkelknochen, Schienbein, Wadenbein und Fußwurzelknochen). Aufgrund von Merkmalen, die Pachyrhachis mit den ausgestorbenen Mosasauriden gemeinsam hat, vermuten die Autoren, daß die heutigen Schlangen von diesen wasserlebenden Eidechsen abstammen. Die konventionelle Sicht geht von höhlenbewohnenden Eidechsen als Vorläufer der Schlangen aus, sie ist aber fossil ungenügend belegt (vgl. auch Schlüter 1997. 66f.). N. C. Fraser vom Virginia Museum of Natural History hält es allerdings für möglich, daß es sich bei den Gemeinsamkeiten von Pachyrhachis und den Mosasauriden um Konvergenzen handelt, und somit keine näheren phylogenetischen Beziehungen vorliegen. [Cadwell MW & Lee MSY (1997) A snake with legs from the marine Cretaceous of the Middle East. Nature 386, 705-709; Fraser NC (1997) Genesis of snakes in exodus from the sea. Nature 368, 651-652; Schlüter A (1997) Mythos Schlange. Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie C, Heft 41.]

RJ        



Nach neuen Datierungen war Java bereits vor 1,8-1,6 Mill. Jahren von Homo erectus besiedelt. Bednarik (1997) weist darauf hin, daß seit vielen Jahren in Publikationen von Steinwerkzeugen berichtet wird, die an verschiedenen Orten der Insel Flores, aber auch auf anderen indonesischen Inseln (Lombok, Ceram, Timor) östlich von Java gefunden wurden. Diese Artefakte geben weitreichende Aufschlüsse über Fähigkeiten von Homo erectus, die gängigen Vorstellungen widersprechen.

Die östlich von Java gelegene Insel Bali und das weiter nördlich gelegene Borneo werden durch die Wallace-Linie (Abb. 2) von den weiter östlich gelegenen Inseln Lombok bzw. Celebes getrennt. Östlich der Wallace-Linie ist eine völlig andere Tierwelt nachweisbar als auf den Inseln westlich dieser Linie. Dies weist auf eine bereits lange bestehende geographische Isolation hin.

Abb. 2: Die indonesische Inselwelt mit der Wallace-Linie.
Abb. 2

Für die Steinwerkzeuge von Flores wird ein datiertes Alter von ca. 700.000 Jahren angegeben. Für ähnliche Steinwerkzeuge von anderen Inseln östlich der Wallace-Linie liegen bis jetzt keine Datierungen vor. Die Steinwerkzeuge beweisen eine Besiedlung der Inseln durch Menschen, wobei es sich nach dem derzeitigem Kenntnisstand nur um Homo erectus gehandelt haben kann.

Die Kolonisation von Flores und anderen Inseln östlich der Wallace-Linie vor mindestens 700.000 Jahren impliziert den wiederholten Erfolg einer dauerhaften Besiedlung von Inselneuland. Die Reisen erforderten einen beträchtlichen physischen und psychischen Einsatz der Menschen. Homo erectus muß für seine Fahrten über den Ozean über gute navigatorische Kenntnisse und über ein effektives Kommunikationssystem verfügt haben. Was immer die Motivation für die verschiedenen Seereisen im südostasiatischen Raum gewesen ist, die Motive und ihre Verwirklichung weisen auf wesentlich komplexere Strukturen der Homo erectus-Population hin als üblicherweise angenommen wird. Nach Bednarik (1997) sind die technologischen, sozialen und kulturellen Fähigkeiten von Homo erectus bisher gewaltig unterschätzt worden. Eine Revision der gängigen Vorstellung erscheint dringend geboten (siehe auch Stud. Int. J. 4, 86-87, 1997). [Bednarik RG (1997) The initial peopling of Wallacea and Sahul. Anthropos 92, 355-367.]

MB        



Die Skelette von etwa 100 Babys wurden bei Ausgrabungen in einem vermutlich spätrömischen Badehaus im palästinischen Askalon freigelegt. Eine unvollständig erhaltene Inschrift "Tritt ein, erfreu dich ..." läßt die Forscher vermuten, daß es sich bei dem Bauwerk aus dem 4. bis 6. nachchristlichen Jahrhundert um ein Bordell gehandelt haben könnte. Die Skelette wurden in einem flachen Rinnstein unterhalb des Abwasserkanals gefunden. Blutspuren auf den Zahnanlagen der Neugeborenen deuten darauf hin, daß sie erwürgt oder ertränkt wurden. Diese Art "Geburtenregelung" war in der Antike über Jahrhunderte gängige Praxis und ist insbesondere für die römische Gesellschaft bezeugt. Erst mit dem Vordringen des Christentums fand sie ein Ende. Die Opfer waren meist kleine Mädchen, seltener auch Jungen. Eine Feststellung des Geschlechts, etwa auf Grund des Beckens ist bei den Neugeborenen für die Archäologen nicht möglich. Ein Wissenschaftlerteam um Marina Faerman konnte jedoch unlängst durch DNA- Analyse (Extraktion des X- bzw. Y- Chromosoms) aufzeigen, daß in Askalon überwiegend Jungen betroffen waren. Von 19 untersuchten Skeletten waren nicht weniger als 14 männlich. [Faerman M. Kahila G, Smith P, Greenblatt C, Stager L, Filon D & Oppenheim A (1997) DNA-Analysis reveals the sex of infanticide victims. Nature 385, 212-213; siehe auch: Stager L & Smith P (1997) DNA analysis sheds new light on oldest profession at Ashkelon; Biblical Archaeology Review 23, No. 4, 16.]

UZ        



Vermutlich aus der Zeit des zweiten Tempels (1. Jhd. vor und 1. Jhd. nach Christus) stammen 50 Begräbnisstätten, die unlängst bei einer Notgrabung in Beit Safafa im Südwesten Jerusalems entdeckt wurden. Die Gräber unterscheiden sich auffällig von Grabanlagen, wie sie für diese Zeit in Jerusalem üblich sind. Statt dessen weisen sie große Ähnlichkeit mit Grabmalen in der Siedlung der Essenersekte in Qumran auf. Der Vergleich betrifft sowohl Form und Anlage als auch Ausstattung. Anders als die üblichen Jerusalemer Familiengräber nahmen sie jeweils nur eine Person auf. Sie waren weniger geräumig und hatten eine typische L-förmige Anlage. Auch weisen sie nicht die sonst so auffällige, reiche Ausstattung an Grabbeigaben auf. Ihre strenge Nüchternheit würde gut zum Bericht des Josephus passen, wonach die Essener auf persönlichen Reichtum verzichteten. Die auffälligste Eigenart ist für Boaz Zissu, einen der Ausgräber von Beit Safafa, das Fehlen von Beinhäusern. Nur eines der 50 Gräber schloß ein solches Beinhaus ein - im Gegensatz zu den knapp tausend Grabstätten, die in Jerusalem bisher gefunden wurden.

In Jerusalem wurden vor dem Beit-Safafa-Fund nur zwei Grabmale dieses Typs entdeckt, für Qumran ist er dagegen typisch. Der Fund könnte eine These erhärten, die beispielsweise Bargil Prixner (s.u.) vertritt, wonach Qumran nur ein Zufluchtsort der Essener gewesen wäre; diese hätten mehrheitlich in Jerusalem und anderen Städten des Landes gelebt. [Rochman B (1997) The missing link? Rare tombs could provide evidence of Jerusalem Essenes. Biblical Archaeology Review 23, No. 4, 20-21; vgl. auch: Prixner B (1997) Jerusalem's Essene gateway - where the community lived in Jesus' time. Biblical Archaeology Review 23, No. 3, 22-31 und 64-67.]

UZ        



Mehr als 1300 Figurinen brachte eine von Yigal Shiloh zwischen 1978 und 1985 geleitete Grabung in der ehemaligen Davidstadt zu Tage. Insgesamt wurden mehr als 2000 Figuren gefunden, obwohl bislang nur etwa 10% des Geländes erschlossen wurde. Datiert werden die Funde ins 8. bis 6. Jhd. v. Chr., einzelne bis ins 10. Jhd. zurück.

Einige Figurinen stellen Menschen dar, der Rest Pferde und andere Tiere. Ursprünglich waren die Plastiken mit weißer Farbe überzogen und dekorativ bemalt. Die Deutung ist im Einzelfall schwierig, doch geht man allgemein von religiösen Darstellungen aus. So werden in den weiblichen Figuren Fruchtbarkeitsgöttinnen oder Ascheren vermutet. Der Fund ist insofern historisch interessant, als er in eine Zeitspanne fällt, in der Juda unter Hiskia (spätes 8. Jhd. v. Chr.) und Josia (spätes 7. Jhd. v. Chr.) zwei größere religiöse Reformen gesehen hat.

Die Vielzahl der heidnischen Kultfiguren illustriert die Größe dieser Aufgabe. Daß die Anzahl selbst im 6. Jhd. v .Chr. nicht abnahm, wird von den Wissenschaftlern als Indiz dafür interpretiert, daß den Reformen ein nachhaltiger Erfolg letztlich nicht beschieden war. [Ariel DT & de Groot A (eds) Excavations of the city of David, 1978-1985; Qedem 35, Jerusalem; Hebrew University, 1996, Vol. 4, 32; vgl. den Kommentar in Biblical Archaeology Review 23 (1997) 4, 21.]

UZ        



Ein französisch-palästinensisches Archäologenteam unter Leitung von Piere Jean Baptiste Humbert und Moain Sadek hat die Überreste von Anthedon - so lautete die griechische Bezeichnung des antiken Hafens von Gaza - entdeckt. Die Anlagen gehen bis ins 8. Jhd. v. Chr. zurück, als Gaza eine der bedeutendsten Städte der philistinischen Pentapolis war. Überreste von Kaimauern zeugen noch heute von den Jahrtausenden, in denen Gaza das Fenster Palästinas in die reiche ägyptische Welt war. Neben den Hafenanlagen entdeckten die Archäologen Reste einer Seefestung aus dem 5. Jhd. v. Chr., deren Ziegelmauern in römischer Zeit durch Steinwände ersetzt wurden, einen christlichen Friedhof aus dem 4./5. Jhd. n. Chr. sowie Relikte aus der Mamelukenzeit. Die Ausgrabung, die von der neuen palästinischen Autonomieregierung getragen wird, hat mit einer Reihe von Schwierigkeiten, wie dem ständigen Seewind zu kämpfen, der die Ruinen teilweise mit einer bis zu 12 Meter mächtigen Sanddüne zugedeckt hat. Zudem läßt eine um sich greifende Bautätigkeit den Forschern nur wenig Zeit zur Sicherung ihrer Funde. [Shanks H (1997) Gaza Report: Nascent Palestinian Authority tackles a new dig. Biblical Archaeology Review 23, No. 2, 52-53.]

UZ        



Etwa die Hälfte der 400 in Israel bislang archäologisch erschlossenen Stätten weist Verwüstungsspuren durch Erdbeben auf. Dies ist das Ergebnis langjähriger Studien der Geophysiker Amos Nur (Stanford University) und Hagai Ron (Geophysical Institute of Israel). Nach Meinung dieser Wissenschaftler sind verschiedene Zerstörungen antiker kanaanitischer Städte sehr viel einsichtiger durch tektonische Aktivität als - wie bisher vielfach angenommen - durch Kriegseinwirkung zu erklären. Dies betrifft beispielsweise Zerstörungen in Megiddo und Jericho. Nur & Ron fanden eine signifikante Häufung von Verwüstungen auf den beiden Verwerfungslinien entlang des Jordangrabens zwischen dem Roten Meer und dem See Genezareth und zwischen dem Karmel und dem Gilboa. Archäologische Indizien für ein Erdbeben sind u. a. gerichtet umgestürzte Säulen, kollabierte Mauern, verrutschte Schlußsteine und zerschmetterte Skelette. Dazu kommt das regionale Muster der Zerstörungen. Historische Quellen, einschließlich der Bibel, berichten über nicht weniger als 11 verheerende Erdbeben seit ca. 1400 v. Chr. Bekanntestes Beispiel sind die um 1400 v. Chr. eingestürzten Mauern Jerichos, die von manchen Forschern mit dem Bericht von der israelischen Landnahme unter Josua in Verbindung gebracht werden. [Nur A & Ron H (1997) Earthquake! Inspiration for Armageddon. Biblical Archaeology Review 23, No. 4, 48-55.]

UZ        



zum Seitenanfang

Studium Integrale Journal 5. Jg. Heft 1 - April 1998